Als ich ein Kind war, gab es um diese Jahreszeit zahlreiche Traditionen, die gepflegt werden wollten. Wer wollte, konnte schon am 31.10. die Ralley von Friedhof zu Friedhof starten und sich einen Vorsprung am Grab der Urstrumpftant sichern und somit der Verwandtschaft entkommen, der man sonst an Allerheiligen genau dort über den Weg gelaufen wäre. Einmal im Jahr bei der Tante vorbeischauen und ein Kerzerl anzünden, das gehörte sich irgendwie. Und man konnte dabei überprüfen, dass das Grab eh recht schön gepflegt und mit frischen Erika bepflanzt war. Ein Pflichttermin war an diesem Tag auch der Besuch bei der Bank zum Weltspartag. Man liess die Sparbüchse leeren und bekam neben einem Eintrag im Sparbuch auch ein Geschenk. Ich selber war an diesem Tag allerdings nie in einer Bank, denn diesen Job hatte mein Grossvater übernommen: er hatte den Ehrgeiz entwickelt am Weltspartag jedes auch noch so kleine Weltspartagsgeschenk abzustauben, bezirzte dazu die Bankangestellten und teilte die Beute dann unter den Kindern auf. Diese Kinder waren am 31.10. selbstverständlich in der Schule, denn Herbstferien gab es noch nicht, und beneideten ihre evangelischen Klassenkamerad*innen, die an diesem Tag den Reformationstag feierten. Dieser zusätzliche freie Tag wäre uns Grund genug gewesen die Konfession zu wechseln, hätten wir gewusst, wie das geht.
Heute sind wir noch immer nicht evangelisch, lassen Allerheiligen und Weltspartag links liegen und geniessen bei einer kleinen Tour ins Weinviertel noch einmal den Sonnenschein. Mittagessen gibt es in Breitenwaida, einer Katastralgemeinde von Hollabrunn, früher einmal eine eigenständige Ortschaft mit Kirche, Raiffeisenkassa, Kameradschaftsbund und Spar. Diese kleine Spar-Filiale ist unser Ziel. Hier verpackt man nicht nur Käse und Leberkäse in Semmeln, das Geschäft ist heute auch sonst die Reise wert: es ist nämlich innen und aussen komplett mit Skeletten, Geistern, schwarzen Katzen, Särgen, Kürbissen und Spinnen dekoriert, die von der Decke hängen oder auf den Vitrinen kleben. In einer Ecke lässt ein lebensgrosses (Pun intended) Skelett alle paar Minuten ein diabolisches Gelächter erschallen und die Augen rot aufglühen. “Geht ihnen der Kollege irgendwann auf die Nerven?” frage ich eine Mitarbeiterin mit Skelett auf dem T-Shirt und einer riesigen Plüsch-Spinne auf dem Rücken. Nein, der Kollege nervt nicht, aber das ganze Ensemble aufzubauen ist schon ein ziemlicher Aufwand. Um 5 kommen dann die Kinder des Ortes schaurig kostümiert und dürften sich aus der grossen Wanne mit Süssigkeiten zu den Füssen des Skeletts bedienen. Dafür lohnt sich der Deko-Aufwand, denn die Kinder haben solche Freude dran. “Solange ich noch da bin, wird es das weiter geben”, verspricht die Frau mit der Riesenspinne, denn den gruseligen Supermarkt gibt es jetzt seit 8 Jahren und damit ist es Tradition. Und Traditionen am 31.10. müssen gepflegt werden, daran hat sich in den letzten 40 Jahren nichts geändert.
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