Tag 2: Horn – Raabs an der Tha­ya – Znojmo

⌴ 106km ⋅ ↗ 1188hm ⋅ ↘ 1221hm ⋅ ⤓ 268m ⋅ ⤒ 553m ⋅ ◷ 8:31:53  ⋅ Σ 215km

Bei gros­sen Rad­ren­nen kann es vor­kom­men, dass die Begeis­te­rung das Publi­kum dazu ver­lei­tet auf die Stras­sen zu lau­fen und die Ath­le­ten im Ren­nen zu behin­dern. Eigent­lich wol­len sie ja nur anfeu­ern, aber manch­mal wirkt die ver­blei­ben­de Fahr­gas­se doch recht schmal. Das dann auf einer der berüch­tig­ten Stei­gun­gen, ich stel­le es mir recht unge­müt­lich vor. Wir Hob­bet­ten geben es heu­te ein wenig klei­ner. Nicht nur sind unse­re Stei­gun­gen weder der Gali­bi­er noch der Ven­toux, wir klet­tern nur etwa 100 Höhen­me­ter die Hän­ge des Tha­ya­ta­les hin­auf, auch unse­re Quäl­geis­ter sind deut­lich klei­ner. Wir haben es mit einem Schwarm Mücken zu tun, der es sich abwech­selnd in unse­rem Wind­schat­ten gemüt­lich macht und ver­sucht auf unse­ren Bril­len­glä­sern (aus­ge­rech­net!) nach oben zu rei­ten. Flu­chen und sogar Dro­hun­gen mit dem Ver­schlu­cken wol­len sie nicht hören, erst als wir wie­der ein fla­che­res Stück errei­chen und Tem­po gewin­nen kön­nen, müs­sen sie abreis­sen lassen.

Nach dem gest­ri­gen Hor­ner Vor­ge­schmack auf das Wald­vier­tel geht es heu­te in einem wei­ten Bogen über Raabs nach Znoj­mo. Der ers­te Teil ist noch eher unspek­ta­ku­lär im Taf­fatal, wobei unspek­ta­ku­lär nur rela­tiv gemeint ist, denn gegen die zwei­te Hälf­te der Tour kann ein sanft berg­auf anstei­gen­des Tal mit bewal­de­ten Hän­gen halt lei­der nicht ankom­men. Auch der Rad­weg auf der alten Tras­se der ehe­ma­li­gen Bahn von Göpfritz nach Raabs ist sehr nett zu fah­ren, auch wenn wir uns bei der Benut­zung die­ser Art von Bahn­rad­we­gen auf erst in jün­ge­rer Zeit ein­ge­stell­ten nie­der­ös­ter­rei­chi­schen „Neben­bah­nen“ immer ein wenig vor­kom­men wir Lei­chen­fled­de­rer. Der beein­dru­cken­de Teil beginnt für uns in Raabs, nicht der ers­ten der irgend­wo hoch oben errich­te­ten Bur­gen, an denen wir heu­te vor­bei­kom­men, aber für unse­re nörd­li­chen Nach­barn ist sie im Mit­tel­al­ter so wich­tig gewe­sen, dass heu­te ganz Öster­reich im Tsche­chi­schen nach die­ser Burg benannt wird (Rakous­ko) und nicht wie sonst üblich irgend­was mit ‚Aus­tria‘. Aber lie­be Nach­barn dür­fen uns ger­ne auch komi­sche Namen geben.

Die Nach­barn durf­ten in den 30er Jah­ren bei Vra­nov nad Dyjí auch die Tha­ya auf einer Stre­cke von 25 Kilo­me­tern auf­stau­en. Sie hät­ten ja schon 20 Jah­re frü­her gedurft und damit die extre­men Schwan­kun­gen, die die Tha­ya im Jah­res­ver­lauf in ihrem Was­ser­stand auf­weist, aus­glei­chen und zugleich Strom gewin­nen. Aber dann kam der Ers­te Welt­krieg, dann die Tei­lung Kaka­ni­ens mit ihren poli­ti­schen Ver­wer­fun­gen, die Welt­wirt­schafts­kri­se etc. und so hat­te das Pro­jekt schon beim Start einen ordent­li­chen Ver­zug. Dann aber hat man in weni­gen Jah­ren eine Tal­sper­re aus mas­si­vem (und sehr mas­siv aus­se­hen­dem) Beton errich­tet, dabei aber das geplan­te Bud­get ordent­lich über­zo­gen und sich nach Abschluss der Bau­ar­bei­ten in die juris­ti­sche Pro­jekt­pha­se bege­ben. Die Vor­wür­fe von damals inter­es­sie­ren das Frei­zeit­volk am Stau­see heu­te aber wohl kaum noch. Es fah­ren Aus­flugs­schif­fe und Segel­boo­te, am Nord­ufer gibt es einen Strand und rund um den See, wo Platz ist, klei­ne Wochen­end­häu­ser, Cam­ping­plät­ze und Aus­flugs­lo­ka­le. Kei­nes die­ser Häu­ser aber kann mit dem Schloss Vra­nov nad Dyjí in irgend­ei­ner Hin­sicht mit­hal­ten: erbaut nach Plä­nen Fischer von Erlachs, hoch über dem schlucht­ar­ti­gen Tal thro­nend, schon vom Gegen­hang sieht man den den Ahnen­saal. Schon damals galt in der Immo­bi­li­en­bran­che der Grund­satz: Lage, Lage, Lage!

Wir sind nicht zum Schloss hin­auf­ge­fah­ren, dafür aber hin­un­ter in den Ort zur ein­zi­gen Tank­stel­le weit uns breit mit Sonn­tags­öff­nung und Shop. Und der Shop ist win­zig und gsteckt voll als ich mich mit Cola, Ener­gy Drink und Neal­ko Rad­ler in die Schla­ge ein­rei­he. „Gehens nur vor, ich hab Zeit“ meint ein Mann vor mir (auf tsche­chisch, aber so viel ver­ste­he ich gera­de noch), „ich hab auch Zeit“ sagt die Frau vor ihm und so geht eine Wel­le von Zeit­ha­ben und Nett­sein durch das Geschäft, dass ich plötz­lich ganz vor­ne in der Schlan­ge bin. Ob die durs­ti­gen Rad­fah­ren­den in der Hit­ze Mit­leid erregt haben? Oder woll­ten alle nur noch ein wenig län­ger die Küh­le des kli­ma­ti­sier­ten Geschäfts geniessen?

Der Rest der Tour ist schnell zusam­men­ge­fasst: Hügel bis Znoj­mo, Neal­ko bei der Rotun­de, Abend­essen ein­kau­fen bei Kauf­land und dann gera­de noch recht­zei­tig in den Zug nach Wien bevor das Gewit­ter los­geht. Dass wir dabei lei­der Jon Worth ver­passt haben, der auf einer Cross­Bor­der­Rail­way Tour genau dann aus dem Zug nach Znoj­mo gestie­gen ist als wir ein­ge­stie­gen sind, ist der ein­zi­ge klei­ne Makel an die­sem per­fek­ten Radtouren-Wochenende.

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