Wenn man über die Stadt Horn spricht (eigentlich könnte man sie ‚Hörnchen‘ nennen, denn gross ist dieses Bezirkshauptstädtchen nicht gerade), dann oft als Negativbeispiel für die Stadtplanung der letzten Jahrzehnte. Hier ist schon sehr früh ein Einkaufszentrum mit Gewerbepark am Stadtrand errichtet worden und dieses hat die Kaufkraft aus dem historischen Zentrum abgezogen. Die Horner Altstadt ist gleichsam ein Opfer der autozentrierten Raumplanung in Niederösterreich, wie auch wir leider wieder einmal feststellen als wir nach der dringend notwendigen Dusche zum Hauptplatz hinauf spazieren. An Geschäften hat hier am Samstag um 17:30 nur noch der Spar offen, dazu gibt es ein Beisl schräg gegenüber und eine Tranklerrunde mit ein paar Bierflaschen zu viel in der Bushaltestelle. Sonst nichts. Tote Hose im historischen Zentrum einer bildhübschen kleinen Stadt. Dabei gibt es hier ein paar sehr interessante Bauwerke zu bestaunen, darunter mit der Georgskirche eine der wenigen ursprünglich protestantischen Kirchen des 16. Jhdts. in Österreich. Die wurde naturgemäß gegenreformiert und katholisch umgebaut, steht aber dafür, dass Horn um die Wende zum 17. Jhdt. ein wichtiges Zentrum des protestantischen Widerstands gegen die Rekatholisierung durch die Habsburger war (Horner Bund). In diesem Punkt war man sich mit den böhmischen Adeligen wenige Kilometer weiter nördlich übrigens einig, und auch hier hat die Sache im 30-jährigen Krieg mit der Entmachtung der Habsburg-Gegner geendet, wenn auch nicht mit so einer brutalen und totalen wie in Böhmen.
Wir spazieren durch das fast menschenleere Zentrum und besuchen die Kirchen der Stadt, doch wir wollen Horn nicht nur als Schablone der verfehlten Verkehrs- und Raumordnungspolitik dastehen lassen. Jede Medaille hat zwei Seiten und auch wenn Horn für sein Fachmarktzentrum sicher keine Medaille bekommt, so gibt es hier doch etwas Außergewöhnliches, das Erwähnung verdient, und das ist das Freibad der Stadt und seine Geschichte.
Vor 155 Jahren hat die Stadt Horn beschlossen etwas für ihre Nutzwasserversorgung zu unternehmen. Damals war Horn noch von seiner mittelalterlichen Stadtmauer umgeben und es war sogar noch eines der Stadttore erhalten, Eisenbahnanschluss bekam man erst 19 Jahre später. Horn war also nicht gerade die Vorhut der Moderne in Niederösterreich, aber 1870 hat man gross gedacht und etwas ausserhalb der Stadt einen grossen Teich errichtet, der mit dem Wasser eines Baches gefüllt wurde. Der Teich diente mehreren Zwecken: er beherbergte diverse Fischarten, im Winter wurde Eis erzeugt, später auch Eis gelaufen und Eisstock geschossen, und im Sommer diente er als städtisches Freibad und natürlich als Wasserreservoir. Im 21. Jhdt. aber sind viele dieser Funktionen nicht mehr so gefragt, denn wer schneidet heute noch Eis aus einem zugefrorenen Teich um es für den Sommer einzulagern? Auch die kalten Waldviertler Winter, in denen man sich auf eine tragfähige Eisdecke verlassen kann, sind weniger geworden, vor allem aber hat das Einfamilienhaus mit Pool im Garten die Besucherzahlen des Freibades in den letzten Jahrzehnten um mehr als 3/4 einbrechen lassen.
Die Stadt Horn hat also noch einmal Weitblick und Bürgerfreundlichkeit bewiesen und in puncto Freibad die Flucht nach vorne angetreten. In den Jahren 2021 und 2022 wurde der untere Teich komplett umgestaltet, er hat eine schwimmende Insel, ein paar sanft abfallende Uferzonen und eine Kinderzone bekommen und dient noch immer als Freibad, jetzt allerdings als kostenlose Bademöglichkeit für alle. Anstelle des alten Freibad-Buffets gibt es ein sehr brauchbares Restaurant mit riesiger Terrasse und Horn hat damit einen ziemlich lässigen neuen Stadtteil bekommen. Auf dieses Horner Seestädtchen stossen wir jetzt mit einem Rosé aus dem nahegelegenen Roggendorf an.
Die Fotos





































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