Tag 1: Wien – Horn

⌴ 109km ⋅ ↗ 585hm ⋅ ↘ 435hm ⋅ ⤓ 157m ⋅ ⤒ 344m ⋅ ◷ 6:48:38  ⋅ Σ 109km

Wenn man über die Stadt Horn spricht (eigent­lich könn­te man sie ‚Hörn­chen‘ nen­nen, denn gross ist die­ses Bezirks­haupt­städt­chen nicht gera­de), dann oft als Nega­tiv­bei­spiel für die Stadt­pla­nung der letz­ten Jahr­zehn­te. Hier ist schon sehr früh ein Ein­kaufs­zen­trum mit Gewer­be­park am Stadt­rand errich­tet wor­den und die­ses hat die Kauf­kraft aus dem his­to­ri­schen Zen­trum abge­zo­gen. Die Hor­ner Alt­stadt ist gleich­sam ein Opfer der auto­zen­trier­ten Raum­pla­nung in Nie­der­ös­ter­reich, wie auch wir lei­der wie­der ein­mal fest­stel­len als wir nach der drin­gend not­wen­di­gen Dusche zum Haupt­platz hin­auf spa­zie­ren. An Geschäf­ten hat hier am Sams­tag um 17:30 nur noch der Spar offen, dazu gibt es ein Beisl schräg gegen­über und eine Tran­k­ler­run­de mit ein paar Bier­fla­schen zu viel in der Bus­hal­te­stel­le. Sonst nichts. Tote Hose im his­to­ri­schen Zen­trum einer bild­hüb­schen klei­nen Stadt. Dabei gibt es hier ein paar sehr inter­es­san­te Bau­wer­ke zu bestau­nen, dar­un­ter mit der Georgs­kir­che eine der weni­gen ursprüng­lich pro­tes­tan­ti­schen Kir­chen des 16. Jhdts. in Öster­reich. Die wur­de natur­ge­mäß gegen­re­for­miert und katho­lisch umge­baut, steht aber dafür, dass Horn um die Wen­de zum 17. Jhdt. ein wich­ti­ges Zen­trum des pro­tes­tan­ti­schen Wider­stands gegen die Reka­tho­li­sie­rung durch die Habs­bur­ger war (Hor­ner Bund). In die­sem Punkt war man sich mit den böh­mi­schen Ade­li­gen weni­ge Kilo­me­ter wei­ter nörd­lich übri­gens einig, und auch hier hat die Sache im 30-jäh­ri­gen Krieg mit der Ent­mach­tung der Habs­burg-Geg­ner geen­det, wenn auch nicht mit so einer bru­ta­len und tota­len wie in Böhmen. 

Wir spa­zie­ren durch das fast men­schen­lee­re Zen­trum und besu­chen die Kir­chen der Stadt, doch wir wol­len Horn nicht nur als Scha­blo­ne der ver­fehl­ten Ver­kehrs- und Raum­ord­nungs­po­li­tik daste­hen las­sen. Jede Medail­le hat zwei Sei­ten und auch wenn Horn für sein Fach­markt­zen­trum sicher kei­ne Medail­le bekommt, so gibt es hier doch etwas Außer­ge­wöhn­li­ches, das Erwäh­nung ver­dient, und das ist das Frei­bad der Stadt und sei­ne Geschichte.

Vor 155 Jah­ren hat die Stadt Horn beschlos­sen etwas für ihre Nutz­was­ser­ver­sor­gung zu unter­neh­men. Damals war Horn noch von sei­ner mit­tel­al­ter­li­chen Stadt­mau­er umge­ben und es war sogar noch eines der Stadt­to­re erhal­ten, Eisen­bahn­an­schluss bekam man erst 19 Jah­re spä­ter. Horn war also nicht gera­de die Vor­hut der Moder­ne in Nie­der­ös­ter­reich, aber 1870 hat man gross gedacht und etwas aus­ser­halb der Stadt einen gros­sen Teich errich­tet, der mit dem Was­ser eines Baches gefüllt wur­de. Der Teich dien­te meh­re­ren Zwe­cken: er beher­berg­te diver­se Fisch­ar­ten, im Win­ter wur­de Eis erzeugt, spä­ter auch Eis gelau­fen und Eis­stock geschos­sen, und im Som­mer dien­te er als städ­ti­sches Frei­bad und natür­lich als Was­ser­re­ser­voir. Im 21. Jhdt. aber sind vie­le die­ser Funk­tio­nen nicht mehr so gefragt, denn wer schnei­det heu­te noch Eis aus einem zuge­fro­re­nen Teich um es für den Som­mer ein­zu­la­gern? Auch die kal­ten Wald­viert­ler Win­ter, in denen man sich auf eine trag­fä­hi­ge Eis­de­cke ver­las­sen kann, sind weni­ger gewor­den, vor allem aber hat das Ein­fa­mi­li­en­haus mit Pool im Gar­ten die Besu­cher­zah­len des Frei­ba­des in den letz­ten Jahr­zehn­ten um mehr als 3/4 ein­bre­chen lassen.

Die Stadt Horn hat also noch ein­mal Weit­blick und Bür­ger­freund­lich­keit bewie­sen und in punc­to Frei­bad die Flucht nach vor­ne ange­tre­ten. In den Jah­ren 2021 und 2022 wur­de der unte­re Teich kom­plett umge­stal­tet, er hat eine schwim­men­de Insel, ein paar sanft abfal­len­de Ufer­zo­nen und eine Kin­der­zo­ne bekom­men und dient noch immer als Frei­bad, jetzt aller­dings als kos­ten­lo­se Bade­mög­lich­keit für alle. Anstel­le des alten Frei­bad-Buf­fets gibt es ein sehr brauch­ba­res Restau­rant mit rie­si­ger Ter­ras­se und Horn hat damit einen ziem­lich läs­si­gen neu­en Stadt­teil bekom­men. Auf die­ses Hor­ner See­städt­chen stos­sen wir jetzt mit einem Rosé aus dem nahe­ge­le­ge­nen Rog­gen­dorf an.

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