Was macht man an einem Samstag, wenn man mit dem Rad irgendwohin fahren will, aber keine Idee hat, wohin? Man fährt nach Hainburg und überlegt sich dann, wie es weitergehen soll. Überlegt haben wir aber schon auf den Kilometern vor Ort an der Donau und sind dort dann abgebogen in Richtung Leopoldsdorf und dann Marchegg. Dort ist auch so ein Punkt, wo man entscheiden kann und muss: nach Norden, in Richtung Tschechien, nach Süden doch nach Hainburg oder über die neue Brücke in die Slowakei und dort dann wieder: die March rauf oder runter? Wir nehmen letzteres.
Die slowakische Seite der March ist an dieser Stelle nicht so intensiv landwirtschaftlich genutzt und hat einen ausgeprägten Auwald-Charakter. Und wo Wald ist, dort sind Bäume und wo Bäume sind, da gibt es Wurzeln. An dieser Tatsache hat sich in den letzten rund 15 Jahren nichts geändert und ich bin mir sicher, dass ich über ein paar dieser Wurzeln und Löcher schon vor 15 Jahren geflucht habe. Ulrich leidet diesbezüglich an Amnesie oder hat die bessere Verdrängung. Die Strecke ist Teil des EuroVelo 13 und was ich bisher so von diesem EuroVelo gesehen habe, muss das dort so sein. EuroVelo 13 und Verdrängung geht nicht gut zusammen, ist er doch dem Gedenken an den Eisernen Vorhang gewidmet. Das tut auch ein Denkmal an der Marchmündung, die die Namen der 400 tschechoslowakischen Opfer des Eisernen Vorhangs listet. Die Queen steht auch auf dem Denkmal, aber natürlich nicht als Opfer. Sie hat es vor rund 15 Jahren einmal besucht.
Vorbei am Devin kommen wir nach Bratislava und unter der Autobahnbrücke über die Donau und dann sind wir auch schon wieder raus aus der Stadt. Der Grenzübergang Berg sieht von dieser Seite aus ganz anders aus als wenn man von Österreich kommt. Hier fallen noch die sinnlos gewordenen Gebäude ins Auge und die grossen Betonflächen, auf denen wohl die LKW auf ihre Abfertigung gewartet haben. Und noch etwas hat Berg: einen Arne-Karlsson-Park, also eigentlich eine Gedenkstelle mit ein paar Bäumen und Bänken drum rum. Ja, so etwas hat Wien auch, im 9. Bezirk ist ein Park nach Arne Karlsson benannt, aber wer war das eigentlich? 1947, in einer Zeit als halb Europa voll war mit Vertriebenen, Geflüchteten, Ausgebombten und sonstwie Heimatlos gewordenen Menschen, war Schweden eines der wenigen Länder, das vom Krieg verschont worden war. Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg, an dem Schweden ebenfalls nicht teilgenommen hatte, kümmerten sich schwedische Hilfsorganisationen um die Versorgung der Kinder in Österreich, vor allem in Wien, aber eben auch in Berg. Dieser kleine Ort hatte 1947 Hunderte Flüchtlinge zu versorgen und sollte von Arne Karlsson, einem Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, Unterstützung erhalten. Er war mit seinem Auto unterwegs nach Berg, ist falsch abgebogen und hat seinen Fehler erst bemerkt als er vor dem sowjetischen Grenzposten stand. Schnell zu wenden und in die andere Richtung davon zu fahren war die falsche Entscheidung, der Grenzposten hielt ihn für einen Spion und eröffnete das Feuer. Karlsson war sofort tot. Wie gross die Bedeutung der schwedischen Hilfsorganisationen für das Nachkriegswien war merkt man daran, dass an der Einäscherungsfeier Karlssons in Wien nicht nur seine Witwe teilnahm, die ebenfalls im Auto gesessen hatte, sondern auch gleich zwei spätere österreichische Bundespräsidenten: Theodor Körner (zu diesem Zeitpunkt Bürgermeister von Wien) und Adolf Schärf (Vizekanzler).
Schreibe einen Kommentar