Das Fahrradabteil im Regionalzug ist einer der letzten Orte im öffentlichen Verkehr, an dem es noch so richtig menschelt. Hier gibt es die schwer Bepackten, die mit Zimmer, Kuchl und Kabinett in einem Paar Ortliebs von Gänserndorf nach Wien zurückreisen und die Minimalist•innen, die ohne Jäckchen in der Klimaanlagenluft bibbern. Die gut informierten Train Nerds wissen, wo in einer Doppelstockgarnitur das Radabteil ist und stehen auf den Zentimeter genau dort am Bahnsteig. Das sind dann die, die einen 200 Meter Sprint hinlegen, wenn der Zug doch in umgekehrter Reihenfolge ankommt (ja, das gibt’s nicht nur in Deutschland). Andere stellen sich mit ihrem Rad irgendwo auf und sprinten dann kürzer, manche bis zur hinteren Tür im Steuerkopf, und schieben dann das Rad durch den Waggon, weil das Radabteil nun einmal bei der vorderen Tür ist. Manche hängen ihr Rad an und verschwinden auf Nimmerwiedersehen, andere wieder halten sich von Hohenau bis Wien mit der einen Hand an der Halteschlaufe an und versuchen mit der anderen ihr empfindliches Carbonrad so festzuhalten, dass es nicht an den anderen Rädern schrammt. Allen gemein ist, dass sie miteinander reden müssen: „Wie weit fahrts ihr, wir bis Floridsdorf?“, „Kannst es gern anlehnen, das meine ist nicht so empfindlich.“ Und allen ist gemein, dass sie eine Type Fahrgast im Radabteil am liebsten durchs geschlossene Fenster auf den Mond schiessen würden: den älteren Herren, der zuerst sein Faltrad durch den Waggon schiebt und dann breitärschig mehrere Radstellplätze auf den Klappsitzen besetzt, sich uuuuuuunmöglich auf einen normalen Sitz setzen kann, weil sonst das Faltrad sofort gestohlen wird und dann auch noch anderen Fahrgästen gute Tipps gibt, wie sie ihr Rad auf den verbleibenden Plätzen unterbringen können. Für diesen Herrn habe ich auch einen Tipp, nein, sogar zwei: erstens fladert niemand ein grindiges BTWIN-Faltrad, das tut sich niemand an. Und zweitens: das ist ein Faltrad, das kann man falten (heisst ja nicht umsonst so) und dann kann man es zum Sitzplatz mitnehmen und wenns sein muss sogar aufs Klo.
Ja, wir freuen uns, wenn die „Saison“ vorbei ist und wir wieder allein im REX sitzen. Bis es so weit ist, geniessen wir aber die noch etwas längeren Tage im Herbstlicht. Das Weinviertel hat sich auch auf der Strecke Gänserndorf – Angern – Hohenau als weitgehend hochwasserfrei erwiesen, die March ist hinter ihrem Damm geblieben und der Radweg verläuft oben auf dem Damm oder dahinter und ist somit trocken geblieben. Nur einmal mussten wir dann doch auf die Strasse ausweichen, ein Stück B49 ist besser als nasse Socken bis Břeclav. Die Fähre bei Angern wird es in den nächsten Wochen wohl nicht geben, denn die March hat dort ihr Bett verlassen und es sich auf geschätzt 200 Metern Breite hinter dem Damm gemütlich gemacht. Auch sonst steht das Wasser noch recht hoch, auch beim Grenzübergang Hohenau, der wegen Hochwassers derzeit ebenfalls gesperrt ist. Damit gibt es derzeit zwischen Österreich und der Slowakei für Autos nur bei Bratislava eine Möglichkeit die Grenze zu überqueren oder in Tschechien. Zug gibt es derzeit auch keinen, also bleibt eigentlich nur das Fahrrad 🙂
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