Die ersten Kilometer nach der Stadtausfahrt aus Köszeg sind hügelig, es geht entlang des Günser Gebirges nach Süden. In diesem kleinen Gebirge, dem allerletzten Zipfel der Alpen bevor die Ungarische Tiefebene beginnt, befindet sich der höchste Berg des Burgenlandes, der Geschriebenstein, der unter dem Namen Írott-kő zugleich auch der höchste Berg Westungarns ist. Das macht eigentlich Ungarn auch zu einem der Alpen-Anrainerstaaten, auch wenn man es normalerweise wegen seines nur geringfügigen Anteils nicht dazu zählt. Fast ein wenig unfair, finde ich, denn Berg ist Berg, auch wenn er sich noch ein wenig strecken müsste um 900 m Höhe zu erreichen.
Es geht flach bis leicht wellig nach Szentgotthárd, einer Stadt gleich hinter der österreichischen Grenze und Endstation der Grazer S‑Bahn, der wir ab jetzt folgen. Wir könnten im Prinzip nach 80 km fast jederzeit in den Zug umsteigen und nach Graz fahren oder in Richtung Fürstenfeld abbiegen und einen Zug direkt nach Wien nehmen, aber wir entscheiden uns für die Variante mit dem Rad. Den Zug als Sicherheit zu haben ist aber beim heutigen Wetter kein Fehler, denn es hat schon sehr um 9:45 bei der Abfahrt segr warn begonnen und beim Mittagessen in Szentgotthárd hat es 32 Grad. Die Tageshöchsttemperatur wird heute über 34 Grad liegen, was uns nachdenklich stimmt. Europa leidet derzeit mal wieder unter einer Hitzewelle mit Temperaturen weit jenseits der 40 Grad in Spanien und Italien, Waldbränden auf dem Balkan und nächste Woche sollen wir auch in Österreich bis zu 38 Grad bekommen. Für uns als Radreisende bedeutet das, dass längere Radtouren mit im Vorhinein geplanter Anreise in weiten Teilen Europas eigentlich kaum mehr machbar sind. Die Temperaturen südlich der Alpen sind im Moment gesundheitsgefährlich und auch wenn wir selber uns in der glücklichen ökonomischen Lage befinden uns jederzeit ein Hotelzimmer mit Klimaanlage oder kalte Getränke kaufen zu können oder die Tickets für eine Anreise umzubuchen oder verfallen zu lassen, können das nicht alle. Auch daran sieht man, wie ungleich die Folgen der Klimakatastrophe verteilt sind, auch wenn der Unterschied zwischen denen, die mit weniger Geld im Hochsommer Urlaub machen müssen und denen, die davon profitieren, dass in der Nebensaison im April und Mai angenehmere Temperaturen herrschen, sicher nicht die grösste Ungerechtigkeit ist.
In nachdenklicher Stimmung und ungezählte Liter Wasser später (ein Hoch auf die weitsichtige Behörde, die vor vielen Jahren die Installation der blauen Hydranten mit Pumpschwengel in Ungarn verordnet hat) steigen wir in Gleisdorf in die gut gefüllte S‑Bahn nach Graz, suchen uns dort im Spar am Bahnhof (volles Sortiment auch am Sonntag!) etwas zu essen und sitzen jetzt in einem gut klimatisierten und mit Birell versorgten tschechischen Railjet nach Wien. Die nächste Woche werden wir uns zu Hause tot stellen, vielleicht findet uns dann die Hitze nicht.
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