Geschätzte 99,9% aller LKW-Fahrer*innen sind ausgesprochen vernünftig, überholen nicht zu knapp und warnen manchmal, wenn sie von hinten daherdonnern. OK, im Zweifelsfall verzichte ich darauf von einer LKW-Hupe auch nur mit kurzem Antupfen gewarnt zu werden, aber es ist ja gut gemeint. Leider gibt es dann manchmal doch Fahrer*innen, die unaufmerksam sind oder zu den 0.1% der weniger netten gehören und das ergibt dann brenzlige Situationen für Radfahrende. Zum Beispiel heute: bergauf in einer Rechtskurve von einem Sattelschlepper überholt werden ist dann kein Problem, wenn die Gegenfahrbahn frei ist. So ein 16 m langes Gefährt braucht nämlich einiges an Platz, wenn es fast vollkommen starr um die Kurve geht. Wenn da dann im Gegenverkehr ein ähnliches Kaliber bergab unterwegs ist, kommt die rechte Wand des Sattelschleppers schon ungemütlich nahe, sehr ungemütlich.
Zum Glück ist nichts passiert und wenige Kilometer später verlassen wir die auch am 1. Mai erstaunlich stark befahrene Strasse in Richtung Tschechien, noch einmal müssen wir ein Stück raufkurbeln, und ab dann geht es nur noch bergab ins Tal der Elbe. Die Landschaft erinnert uns ans Mühlviertel und die Strassen, die wir nehmen, sind deutlich besser in Schuss als auf der anderen Seite der Grenze und das hat zwei Effekte: erstens trauen wir uns die Räder bergab einfach mal rollen zu lassen und zweitens treffen wir jetzt andere Rennradfahrer, auch in Gruppen und ohne sie zu gendern, Frauen waren nämlich nicht dabei. Generell ist Tschechien ein echtes Radfahr-Land, nicht nur mit dem Mountainbike, sondern auch auf der Strasse. Es gibt zwar nicht wahnsinnig viele Radwege und die Stadteinfahrten können stressig werden, aber dazwischen hat man viele, viele Kilometer an kleinen Nebenstraßen, und daher auch regen Radverkehr an Wochenenden, wenn diese Routen für Ausflüge genutzt werden.
Wenn wir schon beim Gendern sind, so muss ich anmerken, dass der Name “Hradec Králové” auf deutsch eigentlich “Königingrätz” lauten müsste, aber wer wird denn so kleinlich sein, wenn sie/er hier im Stadtzentrum die neue Architektur der letzten 400 Jahre bestaunt. Königgrätz ist in Österreich auch nur aus dem Geschichtsunterricht bekannt, als Ort der gleichnamigen Schlacht, die das Ausscheiden Österreichs aus dem Deutschen Bund besiegelte, das Schlachtfeld befindet sich aber mehrere Kilometer außerhalb der Stadt. In Tschechien hingegen ist Hradec Králové bekannt für seine barocke Innenstadt, vor allem aber für die zahlreichen Gebäude der Jahrhundertwende und aus der Zwischenkriegszeit, als die Tschechoslowakei ein verhältnismäßig ruhiges, stabiles, demokratisches und reiches Land in Europa war, ein Zentrum der Industrie und auch der modernen Architektur. Aus dieser Zeit stammt zum Beispiel der hiesige Hauptbahnhof mit dem ikonischen Turm und der langgestreckten Halle. Wenn man die klassischen Bahnhöfe aus Paris als “Kathedralen der Moderne” bezeichnet, warum dann nicht auch diesen Bahnhof? Kathedralen finden sich ja nicht nur in Metropolen, sondern auch in kleineren Städten, wie wir aus diversen Reisen nach Frankreich und Italien wissen. Wem allerdings eher die verspielten Formen des Jugendstils gefallen, wird hier in der Stadt ebenfalls fündig. Ach ja: Bier gibt es auch und Gastgartenwetter! Wenn man aber mehr von der Stadt sehen will als wir, dann braucht man auch mehr Zeit als nur einen späten Nachmittag.
Die Fotos










































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