Beim Verlassen der Stadt erwischt uns das Hochwasser. Eine Strasse ist gesperrt, weil eine Brücke den Wassermassen zum Opfer gefallen ist. Dumm nur, weil wir genau dort fahren wollten, aber zum Glück steht ein Radfahrer-Kollege am Strassenrand, der weiss wo es langgeht, wenn man in Richtung Kłodzko fahren möchte. Er erklärt es uns zunächst auf Polnisch, dann mit Händen und Füssen und zu guter Letzt mithilfe der Karte auf seinem Mobiltelefon. Als wir noch immer ein wenig begriffsstutzig dreinschauen, meint er „egal, ich zeigs euch“ (auf Polnisch) und fährt uns voran, weil man hat ja als Pensionist ohnehin nichts anderes zu tun. Als wir uns wieder auskennen, bedanken wir uns und setzen die Tour fort durch eine sehr dünn besiedelte, grossteils landwirtschaftlich genutzte Gegend. Das gilt zumindest für den Teil, den wir bewusst wahrnehmen: Raps, Weizen, Kartoffeln, dazwischen Dörfer, verbunden durch abwechselnd sehr rumpelige und perfekt gepflegte Nebenstrassen. Wenn ich sage ‚perfekt gepflegt‘, dann ist das auch so, das sind dann Strassen, die gerade nagelneu errichtet oder restauriert worden sind, aber wenn ich sage ‚rumpelig‘, dann ist auch das genau so zu verstehen. Das ist dann richtig rumpelig, mit Asphalt im Flecktarnmuster vom jährlichen Ausbessern der Frostschäden, wobei die von 2024/25 noch der Ausbesserung harren und teilweise ordentliche Schlaglöcher sind. Man sollte also nicht dauerhaft den Blick von der Fahrbahn nehmen und die Landschaft zu intensiv betrachten. Das aber ist der Preis für die verkehrsarme Strecke und den sind wir gerne bereit zu zahlen.
Heute Abend sind wir in Kłodzko, vor 1945 bekannt unter dem Namen ‚Glatz‘ und Namensgeberin des Armes der Neisse, dem wir gerade mehr oder minder nachfahren. Im Gegensatz zu Nysa hat die Stadt den Zweiten Weltkrieg gut überstanden und Festung und Altstadt laden zur Besichtigung ein. Wir wandern vorbei an alten Häusern aus preussischer Zeit, besichtigen die Kirche und überqueren die Glatzer Neisse auf einer Klein-Ausgabe der Prager Karlsbrücke. Man war hier nämlich in früheren Zeiten nämlich auch einmal böhmisch, dann unter der Herrschaft der Habsburger und erst nach der Mitte des 18. Jhdts. endgültig preussisch. Dass Schlesien unter Friedrich II. preussisch wurde, ist auch so ziemlich das einzige, das wir in der Schule über diese Gegend gelernt haben: ‚Friedrich wollte Schlesien haben und Maria Theresia konnte nichts dagegen tun‘. Ein bisserl dürftig, finden wir, so als wäre die Geschichte nur die der herrschenden Häuser und ihrer Besitzungen, und nicht auch eine der Handelswege nach Prag, Breslau und Wien, der Familien, der gotischen Architektur und der barocken Kunst, der Gefangenen der in ein Gefängnis umfunktionierten Festung, des Zusammen- und Nebeneinander-Lebens von Volksgruppen und Sprecher*innen verschiedener Sprachen. Zur Geschichte von Kłodzko gehören leider auch die wiederkehrenden Hochwässer, die den unteren Teil der Stadt verwüsten, aber irgendetwas hat die Menschen bisher immer wieder dazu gebracht die alten Häuser nach einem solchen Ereignis trocken zu legen, die Wände neu zu streichen, die Einrichtung wieder in die barocke Franziskanerkirche zu tragen und weiterzumachen. Diesmal war es allerdings besonders schlimm, nachdem es 1997 schon einmal besonders schlimm war. Pegelstände, bei denen man im ersten Stock des Hauses nicht mehr vor dem Wasser sicher ist, scheinen uns unvorstellbar und dürften auch einige Schäden verursacht haben, die nicht so schnell reparabel sind. Der Wiederaufbau der geschädigten Strukturen in der Stadt und in der ganzen Region wird viele Millionen kosten und Jahre dauern.
Die Fotos



























Schreibe einen Kommentar