Tag 1: Wien – Köszeg

⌴ 130.8km ⋅ ◿ 937hm ⋅ ◺ 816hm ⋅ ⤓ 126m ⋅ ⤒ 379m ⋅ ◷ 8:15:22  ⋅ Σ 130km

Die Idee war heute bald nach Süden aufzubrechen um dort am Ziel genug Zeit zu haben und endlich einmal eine Stadt zu besichtigen, die schon länger auf unserer Liste steht: Köszeg. Das Schicksal, das Universum oder auch nur Murphy hatte allerdings etwas dagegen, dass wir diese Idee auch umsetzen. Zuerst eine äusserst schwergängige Schaltung an meinem Rennrad, begleitet von heftigem Fluchen. Ulrich schaut sich das an, aber zur endgültigen Behebung brauchen wir einen Montageständer, den es unterwegs sicher geben wird “und bis Himberg ist es eh brettleben, da brauchst eh nicht schalten”. Bis Himberg gibt es keinen Montageständer, aber in Kaiserebersdorf eine Stimme von hinten: “Habt ihr vielleicht eine Pumpe für so ein Ventil?” deutet ein schmal bereifter Kollege auf seinen Patschen. Haben wir, aber wenn die Luft mit einem “Pfffft” entwichen ist, dann ist es meistens eher zwecklos neue Luft nachzufüllen. Die macht dann auch nur “Pfffft”, eine Theorie, die wir auch heute bestâtigen konnten.

Das nächste Hindernis wartet in Schwechat auf uns uns zwar in Gestalt der Feuerwehr. Also der niederösterreichischen Feuerwehren und zwar so ziemlich *aller* niederösterreichischen Feuerwehren. Die sind mit Mann und Frau, Löschzug und Zelt nach Schwechat gefahren um hier an den Landesfeuerwehrbewerben teilzunehmen, fast 1200 Teams gibt es, die hier schon gestern um Titel oder Ehre gekämpft haben und die Bierstânde, das Disko-Zelt und die Griller waren sicher auch gestern schon in Betrieb. Wir müssen mit den Rädern also durch die Mutter aller niederösterreichischen Feuerwehrfeste und können alle im Grossraum Wien nur warnen heute mit Feuer vorsichtig umzugehen, die Katze einzusperren, damit sie nicht auf Bäume klettert und keine Verkehrsunfälle zu bauen. Es wird ab dem Nachmittag sicher nicht leicht in Niederösterreich eine*n nüchterne*n Löschkundige*n zu finden.

Montageständer gibt es bis Himberg keinen, also wird das Rad auf den Kopf gestellt und Ulrich probiert mal. Und da hat es “Zoing” gemacht – Schaltseil gerissen. Wir haben einen Ersatz mit und einer von uns kann den auch montieren (ich bin das nicht, ich hab da zwei linke Hände). Himberg verlassen wir rund 2 Stunden nachdem wir in Wien weggefahren sind. Ich will den Schnitt weder brutto noch netto wissen, wird wohl in etwa im Bereich dessen liegen, was ältere Damen mit der Giesskanne im Körberl auf dem Weg zum Friedhof so fahren. Jetzt aber legen wir einen Zahn zu und überqueren das Leithagebirge in Richtung Eisenstadt. Dann geht es nach Deutschkreutz und schliesslich über diverse Hügel nach Köszeg.

Köszeg, auf deutsch unter dem Namen Güns bekannt, ist heute klein, hübsch und ein wenig verschlafen, wie so kleine, hübsche Stâdtchen oft sind. Im Jahr 1532 aber, also vor fast 500 Jahren, hat dieses Städtchen mit seiner Festung es geschafft mit ein paar Hundertschaften kroatischer Truppen mehr als 3 Wochen lang eine riesige Übermacht des Sultans aufzuhalten, die auf dem Weg nach Wien war, mit dem man ja noch eine Rechnung offen hatte. Die Belagerung von Güns band die Kräfte des osmanischen Heeres lange genug, dass man es im bekannt schwerfälligen Reich in der Zwischenzeit geschafft hatte Truppen zur Verteidigung Wiens aufzustellen und die osmanischen Truppen von einem weiteren Angriff absahen. Ein zweites Mal wurde Güns/Köszeg während des Rákóczi-Aufstandes wichtig, ist aber während dieses Krieges komplett abgebrannt. Das ist es, was diese kleine Stadt zum Schmuckkästchen macht: ein geschlossenes Ensemble an Bauten aus den Jahren nach 1710 im Stadtzentrum, Kirchen, Rathaus, Sgraffitto-Haus, Pestsäule inklusive. Nach dem Brand scheint es als hätte die Stadt beschlossen, dass sie ab jetzt lieber komplett unwichtig sein möchte und ein wenig ab vom Schuss. Für ein geruhsames Kleinstadtleben ist das auf die Dauer nämlich zuträglicher. Man sitzt auf dem Platz bei einem Eis oder spaziert durch die Gassen, die jederzeit als Filmkulisse dienen könnten, wenn man ein paar Verkehrszeichen entfernt. Die Burg hat schon geschlossen – zum Glück, sonst hätte ich mir am End noch den 3D-Film zur Geschichte Ungarns in 15 Minuten, der dort gezeigt wird, angesehen und mich vermutlich den Rest des Abends darüber echauffiert.

Die Fotos

Die Strecke

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