Ich muss zugeben, die Tschechische Eisenbahn ist mir unheimlich. Nicht nur, dass sie von Prag nach Linz einen Nachtzugwagen mitnehmen, auch der Rest der Fahrt ist so wohlorganisiert, dass es einem als nolens volens Kunden von anderen Bahnunternehmen, z.B. der Deutschen Bahn, ganz flau wird. Es gibt Fahrradhänger im Waggon und zwar reichlich, die Hänger sind auf leicht unterschiedlichen Höhen montiert und wesentlich besser erreichbar als das Äquivalent im Railjet (ok, das ist keine grosse Kunst). Aber nicht nur das! Es gibt auch zu jedem Radplatz einen Sitzplatz mit der selben Nummer, der automatisch für uns bis Linz reserviert ist. Durchsagen kommen in drei Sprachen und beinhalten sogar die geplante Ankunftszeit. Und der Mann, der den Bier-Schnitten-Kofola-Wagen durch den Zug schiebt, braucht uns zwar nichts zu verkaufen, denn wir haben beim Albert zwei nette Flaschen Bier eingekauft, aber wir kriegen trotzdem für jede Flasche eine Serviette, weil das ja sonst auf dem Tisch so rutscht. Man merkt, dass man in Tschechien ist – hier hat man einfach ein Herz für Biere!
Nach Budweis wollten wir schon länger mit dem Rad fahren, aber das ist aus Wien etwas umständlicher. Aus Linz hingegen sind es nur gute 100 km, das ist zu schaffen. Es sind allerdings sehr hügelige gut 100 km und wir kommen auf rund 1400 HM durch das untere und obere Mühlviertel und den Süden Böhmens. Das mit dem unteren und oberen Mühlviertel hat übrigens nichts mit der Höhe über Normalnull zu tun, sondern orientiert sich am Haselgraben und der grossen Rodl als Grenze oder anders gesagt: man kann auch im unteren Mühlviertel ordentlich Höhenmeter machen. Leonfelden aber liegt tatsächlich nicht nur oben auf rund 750 m sondern auch im oberen Mühlviertel. Die Fahrt dahin war bis auf die alte Strasse nach Gallneukirchen sehr gemütlich trassiert. Dass es heute deutlich kühler ist als in den letzten Tagen schadet auch höchstens dem Eis-Umsatz in der Konditorei Kastner (das sind die mit den Rumpflaumen), denn heute war es da oben sogar Ulrich zu kalt für ein Eis.
Die Gemütlichkeit hat nach Bad Leonfelden dann ein Ende, denn wir entscheiden uns für den EuroVelo 7, der hier zuerst auf Schotter und dann auf der alten Salzstrasse nach Norden geht. Das Wort Strasse für die alte Salzstrase ist fast ein wenig gewagt, denn man merkt zwar, dass hier mal was gepflastert war, aber die Strassenmeisterei würde uns vermutlich auslachen, wenn wir die Fahrbahnschäden bei ihr melden. Rennradtauglich ist die Route nicht, da müsste man auf die Strasse ausweichen. Ab der Grenze ist eher ein geländetaugliches Fahrzeug angesagt und wir wechseln nach ein paar Kilometern auf das Profile „fast bike – very low traffic“ im brouter.de. Das beschert uns nicht nur Asphalt sondern auch eine Schleife durch die berühmte Stadt Krumau (Český Krumlov), die wir uns bei anderer Gelegenheit in Ruhe ansehen werden, falls das überhaupt möglich ist. Heute war es definitiv nicht möglich, wenn dieses Wochenende ist ein drei Tage dauerndes Mittelalter- und Renaissance-Festival in der ganzen Altstadt, das Besucher*innen aus nach und fern und sehr, sehr fern anzieht.
Wir hügeln also weiter nach Budweis (České Budějovice), wo es wesentlich beschaulicher zugeht. Auf dem riesigen Marktplatz wird zwar daran gearbeitet, dass Tschechien auch in Zukunft seine beherrschende Stellung im Eishockey behält (man spielt Land-Hockey auf Mini-Feldern und die grösseren und kleineren Kinder haben Spass daran), aber sonst ist wenig los. Es gibt also ein schnelles Essen, ein alkoholfreies Bier und dann eine Runde durch die wahre Hölle des Nordens, das grob gepflasterte Zentrum von Budweis. Das schauen wir uns auch mal in Ruhe an und vielleicht geht sich dann auch ein „echtes“ Budweiser aus, denn das wollten wir eigentlich im Supermarkt für die Rückfahrt kaufen, doch diese Ecke im Kühlregal war heute leer. Das 11-grädige aus der Gasthausbrauerei Solnice und Ulrichs Himbeer-Sour waren aber ein sehr guter Ersatz. Ein alkoholfreies Budvar haben wir dann doch noch ergattert und das reist jetzt als Mitbringsel nach Linz.
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