Heute in Absdorf glauben wir unseren Augen nicht zu trauen. Steht da wirklich eine Nachtzug-Garnitur auf einem Abstellgleis beim Bahnhof? Sogar mit Speisewagen und einer der Schlafwagen trägt deutlich sichtbar das Logo der SNCF. Das wird doch nicht der Waggon sein, der letztens gefehlt hat als Ulrich von Paris mit dem TGV zurückfahren musste statt am Abend mit dem Nachtzug? Oder planen die ÖBB etwa die Anbindung von Absdorf-Hippersdorf an das internationale Nachtzugnetz? Also Absdorf-Hippersdorf nach Paris Gare de l’Est drei Mal die Woche? Klingt das gänzlich unplausibel, jetzt wo sie quasi eh schon ganz Europa mit Nachtzügen versorgen? Und wenn dann endlich die neuen Garnituren da sind, sollten sie ja auch ausreichend rollendes Material haben. Ich glaube wir sind da etwas ganz grossem auf der Spur, aber Pssst, nicht gleich weitererzählen!
Der Anrainer am Bahnhof, mit dem wir dann ein wenig ins Gespräch kommen, meint allerdings, dass an dieser Stelle öfter merkwürdige Zugkombinationen stehen, so merkwürdige, dass sogar Leute extra mit dem Auto kommen um Fotos davon zu machen. OK, haben wir auch gemacht, aber mit dem Fahrrad. Ja, Fahrrad fährt er auch, aber heute leider nicht mehr so oft, er ist schon zu alt, meint er, aber er hat noch sein altes Puch Clubman (für unsere internationalen Leser*innen: österreichischer klassischer „Halbrenner“ aus den 70ern), mit dem er früher viel gefahren ist. Heute fährt er leider eben nicht mehr so oft, was auch daran liegt, dass die Radwege in der Gegend oft nicht asphaltiert sind und er sich mit den schmalen Reifen nicht mehr so sicher fühlt. Auf der Strasse ins nahegelegene Tulln ist auch keine Alternative – zu eng, zu stark und zu schnell befahren. Manchmal sind es eben Kleinigkeiten wie 1,5 km geschotterter Radweg…
Heute geht es also über den Wagram ins Waldviertel, ins Kamptal, wo es im Sommer immer ein klein wenig kühler ist als im Flachland, was die Tradition der „Sommerfrische“ im Kamptal begründet. Noch heute zeugen Villen und alte Hotels von dieser grossen Zeit. A propos: das Hotel Blauensteiner ist noch immer nicht revitalisiert, dabei wäre das so ein schönes Gebäude, aber es ist wohl zu viel daran zu machen und so steht es weiterhin hinter einem Bauzaun und modert vor sich hin. Man fährt aber eh nicht deshalb nach Gars sondern wegen der Mohnzelten, die dann traditionell zur Hälfte noch in Gars und zur Hälfte im Zug verspeist werden müssen. Dieser Zug fährt für uns in Horn ab und ist auch ein Klassiker: eine ÖBB 5047, ein hochfluriger Schienenbus aus den 80ern. Und falls wir es bisher noch nicht erwähnt haben: ein dreifaches Hoch auf diejenige Person, die die grandiose Idee hatte dem Bahnhof Horn endlich Bahnsteige zu spendieren – ein kleiner Schritt für die ÖBB Infra, aber eine grosse Erleichterung für alle, die ihr Fahrrad nicht auf Schulterhöhe wuchten können oder wollen.
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