Tag 6: Prud­nik – Nysa

⌴ 85km ⋅ ↗ 685hm ⋅ ↘ 745hm ⋅ ⤓ 194m ⋅ ⤒ 722m ⋅ ◷ 5:40:37  ⋅ Σ 323km

Nach dem gest­ri­gen Aus­flug ins Wein­vier­tel steht heu­te das Mühl­vier­tel auf dem Spei­se­plan. Es geht durch die Aus­läu­fer des Rie­sen­ge­bir­ges in die alte Stadt Nysa, man­chen viel­leicht eher unter ihrem frü­he­ren Namen ‚Neis­se‘ benannt. Hier­her will heu­te auch eine klei­ne Rei­se­grup­pe, die wir ges­tern im Hotel ken­nen­ge­lernt haben: Vier Geschwis­ter aus Osna­brück, die Kin­der von Ver­trie­be­nen aus der Gegend von Prud­nik, die auf der Suche sind nach der alten Hei­mat ihres Vaters, von der er immer wie­der erzählt hat. Drei der vier ‚Kin­der‘ sind inzwi­schen sel­ber in Pen­si­on und so hat man Zeit sich die Gegend anzu­se­hen, die letz­ten noch leben­den ent­fern­ten Ver­wand­ten zu besu­chen und mal beim ehe­ma­li­gen Haus des Vaters anzu­klop­fen, ob man mal kurz rein­schau­en darf. Uns hät­te schon inter­es­siert, ob sie durf­ten, aber lei­der sind sie uns heu­te nicht noch ein­mal über den Weg gelau­fen und wir konn­ten sie nicht mehr fragen.

Ja, hier ist die Geschich­te des letz­ten Jahr­hun­derts noch zu sehen, an den Orts­na­men, die auf die deutsch­spra­chi­ge Bevöl­ke­rung von 1945 ver­wei­sen, auch in ihrer tsche­chi­schen Ver­si­on, oder auch hier in Nysa in der Bebau­ung der Stadt. Die ist näm­lich eben *nicht* his­to­risch. Ganz am Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges ist die Stadt dann doch noch zum Schau­platz einer Schlacht gegen die Rote Armee gewor­den und dann, nach ihrer Erobe­rung, zum Opfer von Plün­de­run­gen und Brän­den. Der Gross­teil des Stadt­ge­bie­tes war danach so beschä­digt, dass der Wie­der­auf­bau eine Ewig­keit gedau­ert hät­te, doch eine Ewig­keit hat­te man in den 50er Jah­ren nicht Zeit, man muss­te Woh­nun­gen schaf­fen um die ihrer­seits oft aus ost­pol­ni­schen Gebie­ten ver­trie­be­nen neu­en Stadtbewohner*innen unter­zu­brin­gen. Und so begin­nen gleich hin­ter dem Rynek Bau­ten, wie man sie in Oes­ter­reich auch kennt: zei­len­wei­se Wohn­bau­ten, 4 Geschos­se hoch, dazwi­schen ein paar Gara­gen und Plät­ze zum Wäsche­trock­nen, Grün, Spiel­plät­ze. Stadt­rand­be­bau­ung eben, hier aber gleich im Stadt­zen­trum, wo vor 1945 noch baro­cke Häu­ser und Grün­der­zeit­bau­ten gestan­den haben. Es ist jetzt aber nicht so, dass ganz Nysa aus­sieht wie eine pol­ni­sche Ver­si­on der Per-Albin-Han­son-Sied­lung, nein, man hat die wich­tigs­ten Bau­wer­ke ziem­lich ori­gi­nal­ge­treu wie­der­auf­ge­baut, aber eben nur die. Wenn man hier beim Schlen­dern durch die Stadt ein altes Haus sieht, ist das ziem­lich sicher irgend­was wich­ti­ges – sehr prak­tisch für orts­un­kun­di­ge Tourist*innen.

In Nysa und Umge­bung war eines der Zen­tren der pol­nisch-tsche­chi­schen Sei­te der Hoch­was­ser­ka­ta­stro­phe von 2024. Schon auf der Fahrt hier­her waren die Spu­ren noch gut zu sehen, auch wenn emsig gebaut wird um die Infra­struk­tur wie­der in einen benutz­ba­ren Zustand zu brin­gen. Dazwi­schen gibt es ein paar Behelfs­brü­cken (die Gum­mi­mat­ten sind mit dem Fahr­rad abso­lut schräg zu befah­ren), ein paar zur Hälf­te unter­spül­te Stras­sen und vie­le, vie­le noch immer feuch­te Kel­ler und Haus­wän­de. Nysa sel­ber war im Sep­tem­ber Ort eines Hoch­was­ser-Thril­lers: wäh­rend in der Innen­stadt schon Was­ser stand, wur­den auf der einen Sei­te der Alt­stadt Men­schen eva­ku­iert und auf der ande­ren Sei­te hat man es mit Müh und Not und unter Ein­satz von Feu­er­wehr, Men­schen­ket­ten aus der Zivil­be­völ­ke­rung und unzäh­li­gen Sand­sä­cken geschafft den bre­chen­den Damm der Glat­zer Neis­se zu hal­ten bis das Was­ser wie­der zurück­ging. Heu­te sieht man vom Dra­ma nichts mehr, nur ein Fluss­ufer, an dem ein paar Leu­te im Gras sit­zen, ein Bier trin­ken und die letz­ten Son­nen­strah­len des Tages geniessen.

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