Der gemütliche Teil der Reise ist jetzt zu Ende, denn wir müssen bis Sonntag nach Paris, das von uns aus im Südwesten liegt. Von Südwest bis West kommt jetzt auch der Wind und der hat es in sich, denn der Wind ist nicht nur der Berg der Friesen und Niederländer sondern offenbar auch der der Artésiens. Man hat aber auch andere Berge, wenn auch nicht viele natürlichen Ursprungs. Dafür aber sieht man auf der Fahrt schon die ersten schwarzen Kegel, die Abraumhalden des bassin minier, des grossen Kohlereviers in Nordfrankreich. Ja, genau, wer jetzt Gérard Depardieu vor sich hat und an Zola’s Germinal denkt – genau diese Gegend ist es. Der Roman spielt einige Kilometer weiter östlich von uns, aber Bergwerk ist erst wieder für morgen geplant.
Heute haben wir uns nach Arras durchgekämpft, eine Stadt von gut 40.000 Einwohner*innen, die deutlich grösser wirkt, was aber vor allem an ihren ausgedehnten Plätzen in der Innenstadt liegt. Die Grand’Place ist grösser als der Linzer Hauptplatz, der ja auch ein wenig überdimensioniert wirkt, die Place des Héros ist kleiner, aber mit dem Rathaus, dem Beffroi und zahlreichen Gastgärten das Zentrum der Stadt. Bei einem Spaziergang um die Plätze fragen wir uns, ob all die historischen Gebäude eigentlich noch die originale Bebauung sind oder wiederaufgebaute bzw. rekonstruierte Häuser nach den Weltkriegen und wenn ja, nach welchem. Die Frage lässt sich leicht beantworten: Arras war im Ersten Weltkrieg Namensgeberin zweier Schlachten, und sowas heisst üblicherweise nichts Gutes für eine Stadt… Engländer, Schotten, Neuseeländer, Südafrikaner, also quasi das halbe British Empire, haben hier laut einer kleien Fotoausstellung am Zaun des Rathausparks während des Krieges gegeneinander Rugby gespielt (kaum einer der portraitierten Spieler hat 1917 überlebt). Vor allem aber haben sie Arras in den beiden Schlachten 1914 und 1917 gehalten, in der zweiten davon auch Dank eines unterirdischen Tunnelsystems, in dem die Soldaten vor den Bomben sicher waren. Oben war dann irgendwann eh nicht mehr viel, wo man sich noch hätte verstecken können, denn die Stadt war nach dem Krieg zu mehr als drei Vierteln zerstört. Zu dieser zweiten Schlacht gehört auch die um Vimy, das nur ein paar Kilometer ausserhalb von Arras liegt und heute das Zentrum des kanadischen Weltkriegsgedenkens ist. Wir haben die dortigen Schützengräben bei unserer WWI-Tour im Jahr 2018 besucht.
Als wir 2018 hier waren, haben wir in einer Crêperie am kleinen Platz gegessen, die es noch immer gibt. Und weil wir seit 5 Jahren keine Crêpes und Galettes mehr gehabt haben (2019 im Burgund gab es keine und danach war ja aus bekannten Gründen Urlaub anderswo angesagt), war die Frage nach dem Abendessen schnell beantwortet. Wir müssen unbedingt mal wieder in die Gegend, wo man dieses geniale Essen an jeder Ecke bestellen kann!
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