Das Frühstück versöhnt mich fast mit dem verpatzten gestrigen Abendessen, sie können es ja doch hier im Hotel. Das ‘fast’ kommt von der Coffee-Slotmachine, die mir bei jedem Druck auf die mit ‘Cappuccino’ beschilderte Taste etwas anderes ausspuckt: Espresso, Verlängerten, heisse Schokolade und ja, einmal gibts auch einen Cappuccino. Letzterer ist ein klassischer Fall von Demonstrator-Effekt, das Kastl weiss nämlich genau, dass es nicht würfeln darf, wenn die Büffetdame, die ich um Beistand im Kampf gegen die Technik gebeten habe, den Knopf drückt.
Auf dem Weg über den Donau-Hauptstrom, die “grosse” Donau, wohnen wir einer ungarischen Seebestattung bei. Die Urne fährt mit der Trauergesellschaft auf der Fähre bis zur Flussmitte, wo die Asche den künftigen Fluten des Schwarzen Meeres übergeben wird. Muss ein tragischer Tod gewesen sein, wohl ein Elternteil der beiden Teenager-Jungs, die das Zentrum der Trauergesellschaft bilden.
Uns kostet die Fähre fast eine Stunde, denn sie fährt nur stündlich und wir haben die letzte um 5 Minuten verpasst. Die nächste Brücke ist mit dem Rad mehrere Stunden entfernt, wir sind hier schon in der Gegend, wo die Brücken über die Donau selten werden. Am anderen Ufer fahren wir eine kleine Geländekante rauf und damit ist die Tiefebene zu Ende. Ab hier ist Transdanubien und das ist hügeliger als die Landschaft der letzten Wochen. Es gibt hier auch ein paar wirklich gelungene Radwege, die Teil des EuroVelo 14 sind, und die in der OpenStreetmap noch als unbefestigte Strecken verzeichnet sind, so nagelneu sind sie. Aber keine Angst, Schlaglöcher gibts auch ein paar und eine winkelige Stadteinfahrt auf Gehsteigradwegerln ebenfalls.
Wenn man auf dem rumpeligen Radweg in die Stadt Székesfehérvár fährt (es wird an einer Verbesserung gearbeitet), so geht es kilometerweit durch Gewerbegebiet und Plattenbausiedlungen und dann steht man in einem barocken Schmuckstück. Ein wenig plötzlich, aber historisch erklärbar: die Stadt ist erstens im Zweiten Weltkrieg durch Flächenbombardements stark zerstört worden (Bahnknotenpunkt, sowas ist im Kriegsfall ungünstig) und zweitens in den 60er und 70er Jahren auf fast das Dreifache ihrer Grösse angewachsen. So hat man zwar das Zentrum wieder aufgebaut, daneben aber viele Wohnblocks schnell hochgezogen.
Székesfehérvár wird von seinen Freunden kurz SZFV genannt. Das suggeriert zumindest der fast obligate Stadtname mit Herz auf einem zentralen Platz – oder wollte man nur nicht den Namen der Stadt bis auf den nächsten Kreisverkehr hinausragen haben? Die romanische Basilika der Stadt war mal wichtig als Krönungsstätte der ungarischen Könige, die hier bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts gekrönt und einige davon auch hier bestattet wurden. Dann verlor man die Schlacht von Mohács und die Krönungen danach fanden in Pozsony aka Pressburg, heute Bratislava, statt. Bei einem Versuch die Stadt zurückzuerobern hat man die von den Türken als Munitionslager verwendete Basilika getroffen, die seither nur noch aus ihren etwa einen Meter hohen Grundmauern besteht. Sie muss eine sehr schöne Kirche gewesen sein, sagen die zeitgenössischen Berichte, und sie ist auch heute noch ein zentraler Platz der ungarischen Geschichte, denn auch der Hl. Stefan soll in ihr bestattet sein. Dieser Platz ist so zentral, dass es sogar ein ganz kurzes Gsatzl Beschriftung auf Englisch gibt, leider eine echte Seltenheit in diesem Land. Es muss ja nicht gerade wieder Latein sein, aber zumindest eine Kurzfassung in einer anderen Sprache wäre manchmal schon ein Hit gewesen.
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