Das Salzkammergut ist bekannt für Operetten, Kaiserwetter (oder auch das Gegenteil davon: Schnürlregen zwei Wochen lang am Stück), Sommerfrische und Höhlen, Hallstatt und Bad Ischl. Kurz: es ist eine der top Tourismus Destinationen in Österreich. Das merkt man dann auch im am Wochenende auf Desiro verlängerten REX nach Stainach-Irdning, der ist nämlich voll mit Tourist*Innen und Ausflügler*innen auf dem Weg in die Berge. In Attnang-Puchheim ist der Zug voll, aber eine tapfere Dame kämpft sich durch und verteilt Fragebögen zur Kundenzufriedenheit mit dem Service der ÖBB. “Mir san sehr zufrieden und nehmen glei no vier Bier”, sagen die Mitreisenden am Tisch ein paar Reihen vor uns und füllen dann brav den Fragebogen aus, obwohl es für die Beantwortung anstelle des Bieres nur einen Kugelschreiber gibt.
Der Traunsee wird trotz Wolken gern fotografiert, aber in Ebensee sind wir die einzigen Fahrgäste, die den Zug verlassen. Hier gibt es einen der interessantere Ort des Salzkammergutes, aber davon steht vermutlich nicht viel im Reiseführer: das KZ Ebensee mit seinen Stollenanlagen wurde ein wenig ausserhalb des Ortes errichtet und sollte eine sichere Produktion von Raketen für die NS-Kriegsmaschinerei ermöglichen als Peenemünde durch Fliegerangriffe schwer beschädigt worden war. Ebensee war ein Außenlager des KZ Mauthausen, oberstes Ziel die “Vernichtung durch Arbeit”, gleichzeitig aber sollte es eine Produktionsstätte für Rüstungsgüter sein (zuerst Raketen, dann Steyr-Daimler und Raffinerie) – und diese beiden Aspekte des Lagers zusammen führten wohl zu den hohen Todesraten: vollkommen unzureichende Ernährung, Bekleidung und Hygiene, hoher Druck und dauerndes Arbeiten im Laufschritt, Personalmangel, NS-Rassenhierarchie, sadistisches SS-Personal und eine späte Befreiung im Mai 1945. Rund 8000 Todesopfer, darunter viele noch in den Tagen und Wochen nach der Befreiung. Es wären noch viel mehr gewesen, wäre der Plan der Lagerleitung die Häftlinge mitsamt den Tunnelanlagen in die Luft zu sprengen, aufgegangen.
Vom Konzentrationslager sind heute nur noch wenige Reste übrig, weil man sich in der Nachkriegszeit entschlossen hat das ehemalige Lagergelände als Baugründe für Einfamilienhäuser zu verwenden. Hier ist einerseits noch die alte Einfahrt ins Lager zu sehen, andererseits ein Friedhof, errichtet auf dem KZ-Gelände, wo ehemals Massengräber angelegt worden waren. An dieser Stelle findet das offizielle Gedenken der Nationen für ihre Toten ebenso statt wie das individuelle mit zahlreichen kleinen Plaketten und Fotos, auf denen einzelner Opfer oder Opfergruppen gedacht wird.
Von den Stollenanlagen ist ein Stück heute als Gedenkort zugänglich. Man geht im Regen einen Waldweg entlang und biegt langsam links ab. Ab hier sieht man alles, was es zu sehen gibt: einen hell erleuchteten, innen mit Beton verstärkten Stollen mit hoher Decke, in dem sich links und rechts die Tafeln einer Ausstellung befinden. Was man nicht sieht: die feuchten 8 Grad im Tunnel (wer im Sommer zu Besuch kommt, sollte dringend eine Jacke mitnehmen), das stete Tropfen von der Decke, den Seitengang mit den noch immer gut erhaltenen Kränzen von der Befreiungsfeier vor ein paar Wochen.
Die Ausstellung im Stollen ist umfangreich, ebenso diejenige im Zeitgeschichte Museum Ebensee, zu der wir nach der Besichtigung der Gedenkstätte weiter wandern. Das Museum widmet sich der Zeitgeschichte der Region nach 1918 und wird überall dort interessant, wo es sich nicht mit den ohnehin bekannten Fakten beschäftigt, sondern auf die regionalen Aspekte des Salzkammergutes eingeht, darunter auch die noch immer zu wenig bekannte Geschichte des Widerstandes in dieser Region, an dem auch einige Frauen in prominenter Position beteiligt waren. Die Ausstellung ist wirklich umfangreich, an manchen Punkten wegen der Kombination von spiegelnden Glasflächen und nicht optimal aufbereiteten Faksimile-Dokumente aber leider stellenweise nicht optimal lesbar. Das sollte jedoch nicht vom Besuch abschrecken – Gedenkstätte und Museum hätten durchaus noch ein paar weitere Besucher*innen verdient.
Die Fotos































Schreibe einen Kommentar