Wir haben in den letzten Tagen rund 550 km auf dem Rad zurückgelegt und rund 2000 Höhenmeter. Da wäre sich heute Abend ein Sprizz am Strand von Grado ausgegangen, wenn wir es drauf angelegt hätten. Aber wir sind ja noch nicht auf Urlaub und deshalb gibt derzeit noch die Werktagskost: Niederösterreich, Burgenland, Ungarn und was halt so in der Nähe ist. Heute aber doch ein Stückerl in die Berge hinein, nach Reichenau an der Rax. Der Weg dorthin führt über Wöllersdorf-Steinabrückl, einen Ort, durch den wir schon mehrmals gefahren sind, aber wir waren noch nie an dem einen Platz, für den er unrühmliche Bekanntheit erlangt hat: das Anhaltelager. Das ist mit dem Fahrrad nicht leicht zu erreichen, was an zwei Gründen liegt: erstens liegt es an einem Kreisverkehr, an dem sich zwei stark befahrene Strassen treffen, die wir ja gerne vermeiden und zweitens existiert es nicht mehr. Es gibt nur noch das Denkmal aus den 70er Jahren. Ein einsamer Kranz hängt daran, die schon etwas verblassten, selbstverständlich roten Schleifen mahnen trotzig „Niemals vergessen!“. Ein österreichischer ‚lieu de mémoire‘, an den man nicht so gerne denkt.
Nach Erdbeeren vom Verkaufsstand am Kreisverkehr geht es hügelauf, hügelab in Richtung Payerbach, doch schon in Bad Fischau benötigt jemand Hilfe. Dieser Jemand ist eine Landschildkröte, die offenbar aus einem der umgebenden Gärten ausgebüxt ist und jetzt auf der Strasse sitzt. Ein Mountainbiker, der auch gerade des Weges gekommen ist, hat sich buchstäblich davor gerettet unter die Räder eines Autos zu kommen, aber was jetzt? Im Haus, vor dem sie gefunden worden ist, ist niemand zu Hause, im Nachbarhaus auch nicht, die Kinder, die gerade vorbeiradeln, kennen die Schildkröte nicht und auch niemand, der eine hat. Wir sehen uns weiter um und finden schliesslich eine Familie, die das Tier bei sich aufnimmt. Vermutlich sitzt es schon Salatblätter mampfend in einer Schachtel und wartet darauf, dass sich auf den Aufruf in der Facebook-Gruppe jemand meldet.
Was es heute nicht gibt, ist ein Eisenbahnfoto. Das liegt daran, dass wir zwar in Payerbach bzw. Reichenau knapp eine Stunde Zeit gehabt hätten, doch die hübsche grüne Höllentalbahn wollte sich uns weder da noch dort zeigen. Wir waren wohl schon zu spät dran. Schnell noch ein Sackerl Zwieback kaufen, das haben wir aber noch geschafft.
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