Tag 9: Four­mies – Le Grand Hor­nu – Mons

⌴ 79.9km ⋅ ↗ 423hm ⋅ ↘ 592hm ⋅ ⤓ 25m ⋅ ⤒ 232m ⋅ ◷ 5:03:19  ⋅ Σ 778.1km

Die 60er und 70er Jah­re waren eine schwe­re Zeit für alte Fabriks­ge­bäu­de, Berg­wer­ke und ande­re frü­he Indus­trie­denk­mä­ler. Oft stan­den sie der neu­en Welt des Kon­sums mit ihren Stras­sen und Ein­kaufs­zen­ten im Wege und wur­den abge­ris­sen – hät­ten sie nur ein paar Jah­re län­ger exis­tiert, wären sie viel­fach wich­ti­ge Denk­mä­ler ihrer Epo­che gewor­den. Auch der Grand Hor­nu konn­te nur knapp und durch die Initia­ti­ve eines ein­zel­nen Archi­tek­ten vor die­sem Schick­sal bewahrt wer­den, der das Gelän­de um einen sym­bo­li­schen Franc erwarb und soweit am Leben erhielt, dass noch etwas davon erhal­ten war als es der bel­gi­sche Staat knapp 20 Jah­re spä­ter zurück­kauf­te. Heu­te, noch ein­mal gut zwei Jahr­zehn­te spä­ter, ist der Grand Hor­nu gemein­sam mit dem Berg­werk Bois de Cazier und zwei wei­te­ren Orten UNESCO Welt­kul­tur­er­be. So kanns gehen, man soll­te wirk­lich nichts weg­wer­fen, das alte Graffl kann ja noch­mal was wert sein!

Was ist die­ses alte Graffl aber? Der Grand Hor­nu ist eine der wal­lo­ni­schen Koh­le­mi­nen, die sich von den ande­ren vor allem durch zwei Din­ge unter­schei­det: die heu­te noch exis­tie­ren­den Gebäu­de stam­men aus der Früh­zeit der Indus­tria­li­sie­rung als man noch nicht so genau wuss­te, wie man “Fabrik” eigent­lich bau­en soll und daher Anlei­hen beim Sakral­bau (Kir­che, Klos­ter) und in der Land­wirt­schaft (von Wirt­schafts­ge­bäu­den umge­be­ner Hof) genom­men hat. Das gan­ze dann noch im klas­si­zis­ti­schen Stil und ein wenig mit dem Pan­op­ti­kon ver­se­hen und her­aus kommt ein Berg­werks­ge­bäu­de, das denen in Bois de Cazier so über­haupt nicht ähnelt. Die zwei­te Beson­der­heit ist, dass Hen­ri de Gor­ge, der Grün­der der Fabrik, nicht nur einen archi­tek­to­ni­schen Anspruch an die Fabrik hat­te, son­dern auch sei­ne Arbei­ter dau­er­haft an das Berg­werk bin­den woll­te. Es wur­den also in den 1820er Jah­ren nicht nur Stol­len, eine Maschi­nen­hal­le (die “Kathe­dra­le”) und Stäl­le errich­tet, son­dern auch rund 450 Arbei­ter­häu­ser. Die waren für die dama­li­ge Zeit sehr gut aus­ge­stat­te­te Rei­hen­häu­ser für jeweils eine Fami­lie, aus Back­stein mit Brot-Back­ofen und eige­nem Gärt­chen, und sogar Was­ser hat­te man. Auch der Zins war mode­rat, es gab nur die Bedin­gung, dass von jedem Haus min­des­tens zwei Per­so­nen in der Mine arbei­ten muss­ten, sonst konn­te man dort nicht woh­nen blei­ben. Eine für Kin­der bis 12 ver­pflich­ten­de Schu­le (Jahr­zehn­te vor der Ein­füh­rung der Schul­pflicht in Bel­gi­en), eine Kran­ken­sta­ti­on, eine Biblio­thek und Parks, – nicht schlecht! Die Errich­tung einer Pfer­de­ei­sen­bahn führ­te den­noch 1830 zu einem gewalt­sa­men Auf­stand der (zu Recht) um Ihre Jobs fürch­ten­den Fuhr­wer­ker, und dass man in Bel­gi­en bis 1959 kaum Arbeits­schutz kann­te, haben wir in Bois de Cazier gelernt, also nicht alles eitel Won­ne, aber wohl bes­ser als die “Lage der arbei­ten­den Klas­sen in Eng­land” und andern­orts in der Zeit der Frühindustrialisierung.

All das und noch mehr haben wir bei der Füh­rung über das Gelän­de erfah­ren, die noch nicht ein­mal extra kos­tet, aber wir waren den­noch die ein­zi­gen Teilnehmer*innen und auch sonst gab es nicht all­zu vie­le Besucher*innen. Auch vom Ende des Koh­le­berg­baus im Grand Hor­nu erfah­ren wir. Es war wenig spek­ta­ku­lär, denn es ist schlicht die för­der­ba­re Koh­le aus­ge­gan­gen und der Ver­such einer Diver­si­fi­zie­rung der Pro­duk­ti­on durch eine ange­schlos­se­ne Zucker­fa­brik konn­te auch nicht mehr ver­hin­dern, dass man 1954 nicht mehr sehr viel zu tun hat­te als das inzwi­schen unren­ta­ble Berg­werk geschlos­sen wurde.

Auf dem Weg zum Berg­werk und danach run­ter nach Mons sind wir heu­te viel auf ehe­ma­li­gen Bahn­tras­sen unter­wegs. Bier­sor­ten, ehe­ma­li­ge Bahn­tras­sen und Fri­te­ries hat man hier wirk­lich in rau­hen Men­gen dies­seits und jen­seits der qua­si nicht erkenn­ba­ren fran­zö­sisch-bel­gi­schen Gren­ze. Und wenn wir schon vom Bier spre­chen: hier gibt es nicht nur die bekann­ten Frucht­bie­re son­dern als beson­de­re Absur­di­tät auch Lef­fe, das bekann­tes­te der gehalt­vol­len Abtei­bie­re, in einer alko­hol­frei­en Ver­si­on. Kann man sogar trinken.

Die Fotos

Die Stre­cke


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