Tag 10: Mons – Tournai

⌴ 55.3km ⋅ ↗ 119hm ⋅ ↘ 123hm ⋅ ⤓ 13m ⋅ ⤒ 49m ⋅ ◷ 3:58:16  ⋅ Σ 833.4km

Lei­der ist heu­te Mon­tag und mor­gen ver­las­sen wir Mons schon wie­der bevor am Mitt­woch das “Mund­ane­um” wie­der auf­sperrt. Die­ses Museum/Archiv/Bibliothek beher­bergt die per­sön­li­chen Samm­lun­gen, aber auch das Werk von Paul Otlet und Hen­ri La Fonai­ne, die das Insti­tut Inter­na­tio­nal de Biblio­gra­phie 1898 in Brüs­sel gegrün­det haben. Sie haben die Uni­ver­sal Deci­mal Clas­si­fi­ca­ti­on erfun­den, ein Sys­tem zur Klas­si­fi­zie­rung von Wis­sen, das noch heu­te von Biblio­the­ken und Archi­ven welt­weit ver­wen­det wird, und sie haben es auch sel­ber ver­wen­det und Mil­lio­nen von Kar­tei­kar­ten nach die­sem Sys­tem beschrif­tet und in Zet­tel­käs­ten gefüllt. Ziel des gan­zen Unter­fan­gens war nichts weni­ger als die biblio­gra­phi­sche Erfas­sung des gesam­ten Wis­sens der Mensch­heit in sol­chen Kar­teik­ärt­chen. Wer mich kennt, weiss, dass mich so etwas inter­es­siert und wie sehr es mich ärgert, dass wir genau die bei­den Tage erwischt haben, an denen das Muse­um geschlos­sen hat. Aber es kommt auf die Lis­te für den nächs­ten Besuch in der Gegend!

Das war jetzt mal das, was wir heu­te nicht gese­hen haben, aber das Ersatz­pro­gramm war auch nicht ganz schlecht. Am Abend haben wir es noch in die Col­lé­gia­le Sain­te Wau­dru geschafft, die Stifts­kir­che der Hei­li­gen Wal­traut. Drei­schif­fig, spät­go­tisch, in allen Grau­schat­tie­run­gen, die das Gestein der Gegend so her­ge­ge­ben hat, und vor allem unvoll­endet, den den auf 190 m pro­jek­tier­ten Turm hat man im 17. Jhdt. dann nicht ein­mal mehr begon­nen. Das Wis­sen der gesam­ten Welt biblio­gra­phie­ren und den bei wei­tem höchs­ten Kirch­turm der Welt pla­nen – man könn­te der Stadt einen gewis­sen Hang zum Grös­sen­wahn unter­stel­len… Die Hei­li­ge Wal­traut ist übri­gens noch immer in ihrer Kir­che. Sie hat einen gol­de­nen Reli­qui­en­schrein aus neu­go­ti­scher Zeit und wird ein­mal im Jahr in einer Pro­zes­si­on auf einer weiss-gol­de­nen Kut­sche zum Aus­lüf­ten durch die Stadt gefah­ren. Die­se Pro­zes­si­on muss ein Mord­spomp und Spe­ka­kel sein, nach den Vide­os irgend­was zwi­schen Köl­ner Kar­ne­val und Mittelalterfest.

Auch in Tour­nai gibt es eine Pro­zes­si­on aber anders als in Mons zeigt man in der Kathe­dra­le von Tour­nai kei­ne Vide­os davon, hier muss das Bau­werk für sich sel­ber spre­chen. OK, aber wel­ches? Schicht um Schicht haben die Bewohner*innen von Tour­nai eine Kir­che über die ande­re gebaut: früh­christ­li­che Kirch­lein, mero­win­gi­sche, karo­lin­gi­sche Bau­ten, immer wie­der an‑, um- und neu gebaut. Im 12. Jhdt. folg­te dann die roma­ni­sche Kathe­dra­le, von der heu­te noch der Gross­teil erhal­ten ist. Den Chor hat man spä­ter gegen einen goti­schen aus­ge­tauscht und wenn man dem trau­en kann, was man im Moment hin­ter all den Bau­stel­len­git­tern so sieht, so ist auch der ein ziem­lich monu­men­ta­les Ding. Lei­der aber der­zeit ein­ge­rüs­tet und lei­der nicht erst seit kur­zem, denn die gan­ze Kathe­dra­le wird der­zeit reno­viert und bei der Gele­gen­heit auch gleich archäo­lo­gisch auf­ge­ar­bei­tet. Das mit der Reno­vie­rung ist auch wirk­lich drin­gend, aus­sen auf dem Chor wach­sen schon Bäum­chen und man hat ihn mit Net­zen ein­rüs­ten müs­sen damit nie­mand durch Stein­schlag zu Scha­den kommt. Aber man ist Welt­kul­tur­er­be, auch wenn man, wie ein Text im Kir­chen­schiff anmerkt, eine Schwer­kran­ke auf die UNESCO-Lis­te gesetzt hat. Eine Kran­ke auf dem lan­gen Weg der Bes­se­rung, immerhin.

Viel mehr als die Kathe­dra­le haben wir von Tour­nai nicht gese­hen, ein Regen­guss hat uns in Rich­tung Bahn­hof gescheucht, wo wir wie­der das “Glück” hat­ten eine Gumminase/Klobrille zu erwi­chen, d.h. mit den Rädern kein Nie­der­flur, aber immer­hin wis­sen wir inzwi­schen, wo man in so einem Zug Räder abstel­len kann. Eigent­lich wären wir lie­ber ein Stück den Canal du Cent­re und die Schel­de zurück­ge­fah­ren, wie wir schon gekom­men sind, aber im Regen nicht so reiz­voll und so über­ra­gend war er ja auch nicht. Es ist nicht der schöns­te Kanal­rad­weg, den wir je gese­hen haben, aber er ist vor­han­den, befes­tigt, ein wenig holp­rig (Beton­plat­ten), und qua­si auto­frei. Und man sieht auf dem Weg auch Din­ge, die man noch nie gese­hen hat und auf den ers­ten Blick konn­ten wir auch nicht zuord­nen, ob das zivi­le, indus­tri­el­le oder gar mili­tä­ri­sche Bau­ten sind: die Kalk­bren­ne­rei­en kurz vor Tour­nai sind doch sehr eige­ne Bauwerke.

Die Fotos

Die Stre­cke


2 Antworten zu „Tag 10: Mons – Tournai“

  1. Sabine

    Guten Abend,
    Die­ser Rei­se­be­richt ist klasse!
    Wel­che Kar­te haben Die genutzt?
    Dan­ke für die Ant­wort und freund­li­che Grüße
    Sabine

    1. Wir nut­zen die Daten aus der Open­Street­Map und Locus­Map als Navi­ga­ti­ons-App fürs Handy.
      Das hat uns noch gut über­all hin gebracht.

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