Hier in der Gegend von Haybes, im Departement Ardennes, unweit der belgischen Grenze, wurde früher Schiefer abgebaut, der Bergbau wurde aber gegen Anfang des 20. Jhdts eingestellt. Wann genau das geschehen ist, weiss man aber nicht, weil das Archiv der Stadt 1914 verloren gegangen ist. Das steht so auf einem der zahlreichen historischen Schilder, die man überall in der Stadt findet, aber was genau 1914 passiert ist, steht auf diesem Schild nicht. Das findet man auf anderen oder man bekommt es, wie wir heute, vom Besitzer unserer Unterkunft erzählt, der auch das Taxi zum rund 1.5 km entfernten Restaurant spielt. 1914 sind hier im August die deutschen Truppen einmarschiert, haben die Stadt bombardiert und angezündet sowie gut 60 Zivilist*innen ermordet. Von der Stadt war nicht mehr viel übrig, die Kirche und das Rathaus bestanden ebenfalls nur noch aus ein paar Aussenmauern und wurden an anderen Stellen neu aufgebaut. Da war das Archiv wohl das geringste Problem…
Nach dem Krieg wurde die Stadt wieder aufgebaut. Ein monumentales Denkmal wurde von der lokalen Bevölkerung finanziert, das so ganz anderes ist als all die anderen Denkmäler für den Ersten Weltkrieg, die wir damals bei der Reise durch Nordfrankreich und Belgien 1918 gesehen haben: hier sieht man unter den schützenden Flügeln der Siegesgöttin das französische Volk in Gestalt eines nackten Jugendlichen, der unterm Arm einen Stapel Bücher trägt, die das Recht und die Wissenschaften symbolisieren. Keine Soldaten, keine Waffen, stattdessen Vertrauen und Hoffnung auf die Zukunft – ein schönes Bild aus 1926.
Wir sind nach dem Essen extra noch zu Fuss zurück in die Stadt gegangen um uns die Fotoserie der Stadt vor und nach 1914 anzusehen. Zurück am Ufer der Maas wird es in der Nacht ordentlich finster und so kann man gleich noch etwas sehen, das wir als Bewohner*innen einer Grossstadt sonst nicht so oft zu Gesicht bekommen. Der Nachthimmel hat hier um ein Vielfaches mehr Sterne als in Wien, die Katzen huschen zwischen Ufer und Gärten an uns vorbei und über allem ist der Ruf des Käuzchens zu hören, so still ist es in diesem Städtchen von nicht einmal 2000 Einwohner*innen.
Nach dem die Maas in den letzten Tagen unsere Begleiterin durch eine alte Industrielandschaft war, hat sie heute enen ländlicheren Charakter. In Belgien sind wir noch durch Dinant gefahren, eine Stadt, die auch eine ausführlichere Besichtigung verdienen würde, und dann durch das in dieser Ecke eher dünn besiedelte Frankreich. Verkehr ist nur wenig, wir sind die meiste Zeit am Fluss entlang unterwegs, aber auch an den Stellen, wo wir auf die Strasse müssen, vermissen wir den Radweg nicht wirklich. Obwohl: wenn man schon die letzten Kilometer Zug bis zur Grenze eingestellt hat, könnte man doch auch gleich so einen Bahnradweg draus machen, oder?
Edit: wie es aussieht, haben sich Belgien und Frankreich darauf verständigt, dass man die Bahnlinie reaktivieren will und so Namur und Reims miteinander verbinden ohne den Umweg über Paris (!) zu nehmen. Das ist natürlich noch besser!
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