Tag 15: Ami­ens – Beauvais

⌴ 1km ⋅ ↗ 4hm ⋅ ⤓ 62m ⋅ ⤒ 68m ⋅ ◷ 0:06:37  ⋅ Σ 1154km

Ami­ens – Beau­vais, das ist eigent­lich gelo­gen. In Wahr­heit war es nur ein ein­zi­ger Kilo­me­ter, den Rest des Tages haben wir mit War­ten zuge­bracht. Mit War­ten auf den Covid-Test, mit War­ten auf den Zeit­punkt als wir aus dem Hotel muss­ten, mit War­ten auf den Zug, mit War­ten im Zug und dann wie­der mit War­ten auf den Zug beim Umstei­gen. Ins­ge­samt haben wir für rund 120 km Bahn­stre­cke fast 5 Stun­den gebraucht – neu­er Schne­cken­re­kord mit der Bahn. Mit dem Rad wären es rund 80 km gewe­sen, das hät­ten wir in der Zeit auch aus eige­ner Kraft geschafft. Dass es so lang gedau­ert hat, hat dar­an gele­gen, dass wir in Ami­ens auf den Zug aus Paris war­ten muss­ten und mit 30 Minu­ten Ver­spä­tung los­ge­fah­ren sind. Der Anschluss in Creil war dann natür­lich weg und den nächs­ten Zug gabs erst 2,5 Stun­den spä­ter, weil SNCF: “c’est quoi, le Taktfahrplan?”

Schau­en wir uns halt ein bis­serl was in Creil an, einer Stadt, von der wir noch nie gehört haben. Das ist die Kate­go­rie Stadt, die nur dann in den Medi­en vor­kommt, wenn es mal wie­der Auf­stän­de in den Vor­städ­ten gibt. Das war bekann­ter­mas­sen im Juni 2023 der Fall und auch hier im Depar­te­ment Oise gab es meh­re­re Tage lang Bar­ri­ka­den, bren­nen­de Autos etc. Wir haben nichts zu tun, also machen wir mit den Rädern einen Spa­zier­gang durch die Stadt, die der­zeit haupt­säch­lich Bau­stel­le zu sein scheint. Die buch­stäb­lich schrä­ge Kir­che hat heu­te geschlo­sen, die. Buch­hand­lung hat für immer zuge­sperrt, aber immer­hin eine gute Patis­se­rie hat noch offen.

In Beau­vais schaf­fen wir es gera­de noch in die Kathe­dra­le, auch eines der Haupt­wer­ke der fran­zö­si­schen Gotik. Man hat sich an Ami­ens ori­en­tiert woll­te es noch über­tref­fen, was dar­in resul­tiert hat, dass man ein sehr fra­gi­les Bau­werk geschaf­fen hat, das auch gleich zwei Mal teil­wei­se ein­ge­stürzt ist: das ers­te Mal im 13. Jhdt. der Chor, und dann im 16. Jhdt. der über 150 m hohe Turm, der dann auch gleich den Rest des Gebäu­des beschä­digt hat. Nach­dem da aber schon Refor­ma­ti­on war und aus­ser­dem gera­de kein Geld da war, gibt es jetzt eben kei­nen Turm und auch kein Lang­haus, d.h. die Kathe­dra­le wur­de nach dem Quer­haus ein­fach zuge­mau­ert und bas­ta. Seit­her wird sie mit Holz und Stahl am Ein­stür­zen gehin­dert, weil trotz meh­re­rer Nach­bes­se­run­gen nicht sehr sta­bil und von Vorn­her­ein sta­tisch auf Kan­te genäht. Die mas­si­ven Holz­kon­struk­tio­nen, die das Quer­haus zusam­men­hal­ten, sind auf ihre Art durch­aus impo­san, aber man schaut sich die Kir­che eher wegen der 48 m bis zum Gewöl­be an, die sie zur höchs­ten goti­schen Kir­che über­haupt machen. Macht schon was her, die­se Höhe, aber die Kathe­dra­le von Ami­ens hat uns mehr beein­druckt. Ansons­ten ist so ein Rumpf-Bau eher unprak­tisch und unge­wohnt. So sitzt die Gemein­de bei der Mes­se teils falsch her­um und teils unter der Orgel, d.h. mit dem Gesicht nach Wes­ten statt wie sonst üblich nach Osten in den Chor ori­en­tiert und ein Gut­teil der Stüh­le ist natür­lich im Chor unter­ge­bracht, der sonst eher leer ist, denn man hat ja nicht viel anderes. 

Dass goti­sche Kir­chen nicht fer­tig­ge­stellt wur­den oder jahr­hun­der­te­lang Bau­stel­le blie­ben, war nicht so sel­ten, sie­he Nar­bon­ne oder auch Köln, das bis zur Wie­der­auf­nah­me der Bau­tä­tig­keit im 19. Jhdt. auch wenig mehr als einen Chor als Dom vor­zu­wei­sen hat­te. Beein­dru­ckend ist sowas aber alle­mal, auch dass man es nach dem teil­wei­sen Ein­sturz wie­der pro­biert hat, denn finan­zi­ell war so ein Rie­sen­bau für eine klei­ne Stadt wie Beau­vais oder Nar­bon­ne nicht leicht zu stemmen.

Wir sind aber nicht nur unter­wegs um über mit­tel­al­ter­li­che Kunst­ge­schich­te her­um­zu­ge­schei­teln (dazu sind wir ja auch gar­nicht qua­li­fi­ziert), also noch ein paar Wor­te zur Stadt Beau­vais sel­ber. Sie erscheint uns wie eine die­ser Vor- und Schlaf­städ­te, wie es sie und um Paris in grös­se­rer Zahl gibt. Eine Stun­de mit dem Zug, der unter der Woche für die Pendler*innen auch öfter fährt. Mehr gibts da wohl nicht zu sagen. 

Die Fotos

Die Stre­cke


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