Nach Wind vorgestern und Regen gestern gibt es heute das beste aus beiden Welten: Wind und Regen abwechselnd mit ein paar Sonnenstrahlen oder wie man in der nahen Normandie sagt: “il fait beau cinq fois par jour” – es hat dort nicht nur kein schlechtes Wetter, es ist sogar fünf mal am Tag schön. Zwischen uns und der Küste ist halt nichts mehr, das die Wolken aufhalten würde.
Bei der neufundländischen Gedenkstätte Beaumont-Hamel machen wir Sandwichpause. Wie die anderen kanadischen WWI Memorials gibt es auch hier ein paar junge Freiwillige in warmen Jacken, die sich ausgesprochen freundlich um alle Besucher*innen kümmern, die so vorbeschauen. Ich wollte ja nur mal kurz das kanadische WC benutzen, aber die kurze Schilderung des jungen Mannes am Empfang hat mich dann doch zu einem Besuch beim Caribou-Denkmal bewogen. Ulrich war ein bisserl sauer deswegen, und ich habe jetzt schlechtes Gewissen wegen seiner sich anbahnenden Verkühlung. Sorry!
In Amiens gibt es eine der schönsten gotischen Kathedralen Frankreichs. Vor 5 Jahren hat man uns dort rausgeschmissen, weil man um 18:30 Uhr schliesst, aber diesmal waren wir rechtzeitig dort und konnten uns das Innere ganz genau anschauen. Eine detailierte Beschreibung des Bauwerks gibt es in der Wikipedia, eine noch detailliertere, d.h. eine so richtig ausführliche, in der französischsprachigen Ausgabe, daher hier nur kurz unsere Highlights: niedrige Türme im Westen, dafür aber ein 112 m hoher spitzer Vierungsturm (eine flèche wie sie auch auf Notre Dame in Paris zu sehen war, nur stammt die hier auf Notre Dame in Amiens aus dem 16. Jhdt. und wurde scheinbar nur ein einziges Mal vom Blitz getroffen – das grenzt ja fast an ein Wunder). Das ganze Bauwerk ist über 140 m lang und das Langhaus 42 m hoch, besonders beeindruckend aber finden wir den Chor, der wie eine Kirche in der Kirche wirkt, vom Rest abgeschlossen durch einen Lettner und ein Gitter, wohl um das Chorgestühl zu beschützen, für das hier sogar eigene Führungen angeboten werden, wenn man denn am richtigen Tag da ist (sind wir natürlich nicht). Der Chorumgang geht über die voll Breite des Gebäudes, dort ist also wirklich Platz, viel mehr als wir von anderen Kathedralen kennen. Von den alten Glasfenstern haben nicht viele die Jahrhunderte und den Ersten Weltkrieg überlebt, aber immerhin: einfache Glasfenster lassen mehr Licht in den Raum, nicht aber in die Apsiden, von denen eine den Verbündeten Frankreichs im Ersten Weltkrieg gewidmet ist, zahlreiche Poppies inklusive. An einer Ecke des Chors wird es dann ein wenig grauslich: man hat hier eine Reliquie von Johannes dem Täufer. Ja, wirklich, es handelt sch um *die* Reliquie: den abgeschlagenen Kopf, besser gesagt nur das Gesicht davon, das aber wie in der Oper auf einem goldenen Tablett. Reliquienverehrung – ein bissl speziell ist das schon, finden wir, auch wenns möglicherweise nicht der echte Kopf ist.
So, das wars für heute, wir gehen Ulrichs Verkühlung auskurieren und jede Menge nasses Radgewand trocknen.
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