Wir können uns nicht beschweren. Der Nachtzug nach Amsterdam hatte unseren Schlafwagen dabei, war pünktlich in Wien und am Ziel, die Klimaanlage hat funktioniert und der Kaffee zum Frühstück war heiss. OK, die Brötchen hätten ein wenig knuspriger sein können, aber das sage ich jetzt nur, damit sich die p.t. Leser*innenschaft nicht ganz so leid sehen muss. Vor lauter Freude hat Ulrich dann gleich eine seiner Trinkflasche im Zug, äh, gespendet.
Auch die Fahrt war quasi perfekt, wie das das Radfahren in den Niederlanden halt so ist. Fast schon langweilig auf beidseitig angelegten rot asphaltierten Zweirichtungsradwege im Stadtgebiet von Amsterdam, Ampeln, die diensteifrig auf grün springen statt wie ein alter Wiener Kellner noch eine Minute rot herumzugranteln bevor sie sich doch ins Unvermeidliche schicken und den Wunsch der Kundschaft erfüllen. Steigungen sind unbekannt, der Wind gibt Ruhe und sobald überland mal eine Strasse stärker befahren ist, gibt es einen baulich getrennten Radweg, auf Nebenstrassen eine 60er Beschränkung und Seitenstreifen für uns. Und dennoch sind wir jetzt ganz schön k.o. und das liegt an der Geographie.
Wir sind heute von Amsterdam nach Oss gefahren. Ersteres kennt jede*r (vor allem die jugendlichen Touris mit Restfettn und Rückständen von THC im Blut, die uns im Zentrum mit dem Roller vors Rad gesprungen sind – merke: der Vertrauensgrundsatz ist am Samstag Vormittag dort nicht anzuwenden), letzteres kennt niemand. Fast niemand. Nur die beiden jungen Männer, die gestern das Schlafwagenabteil neben unserem hatten, kannten es, einer von ihnen hat dort mal gearbeitet. Nun ja, eine echte Empfehlung war das nicht gerade, aber uns war schon klar, dass wir wenig Zeit haben werden heute Abend noch irgendwas zu besichtigen und Oss ist übersichtlich, hat Restaurants, Quartier und ist im Zentrum erstaunlich lebendig. Also eigentlich keine schlechte Wahl, aber zurück zur anstrengenden Geographie des Landes…
Die Niederlande sind etwa halb so gross wie Österreich, aber es leben dort etwa doppelt so viele Menschen. Eigentlich hat man auf der Strecke heute kaum einmal das Gefühl aus dem besiedelten Gebiet rauszukommen, Ortsgebiet reiht sich an Stadt, reiht sich Bauernhof, an Gewerbegebiet, dazwischen Strassen, Radwege, Eisenbahnen (4‑gleisig zwischen Amsterdam und Utrecht, darauf fahren Doppelstockzüge in Doppeltraktion), Kanäle, Flüsse. Vor allem Flüsse, konkret der Rhein mit seinen Delta-Verzweigungen und die Maas. Auf der Fläche des flacheren Teils Österreichs hat es hier Flüsse, die in etwa so viel Wasser bewegen wie zwei Donau auf der Höhe von Wien. Wir befinden uns de facto in einer Flussmündung, dazu gibt es dann noch Entwässerungsgräben, und das hat zwei Effekte: erstens verfügen die Niederlande nicht über Steine. Sowas gibts ein einem Flussdelta kaum einmal und falls man schon mal einen gefunden hat, so befindet er sich heute sicher irgendwo im Museum. Wenn man hier etwas bauen will, dann macht man das aus Ziegel, weil das Grundmaterial dafür gibt es offenbar reichlich und es wird laufend nachgeliefert. Wohnhäuser, Bahnhöfe, Kirchen, Strassenpflaster, Radwege, alles aus Klinker, die ganze Gegend ist rotbraun. Anstrengend macht es aber der zweite Effekt des Flussdeltas, die unglaubliche Luftfeuchtigkeit, die aus den Flüssen und Entwässerungsgräben kommt und bei 30 Grad Lufttemperatur einen ‘feels like ich wills garnicht wissen’ Effekt auslöst (ich bin bei trockeneren 35 Grad schon gemütlicher gefahren). Auch in der Stadt hat es noch immer nicht abgekühlt, man sitzt mit Sommerkleidchen und kurzen Hosen beim Bier auf dem gepflasterten Platz, auf dem sich die Hitze des Tages gut hält.
Wir sind jetzt platt und morgen und übermorgen kommt noch so eine Tour bevor es dann angeblich endlich der Jahreszeit entsprechendes Wetter hat.
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