Tag 8: Tarnów – Rzeszów

⌴ 94.0km ⋅ ↗ 219hm ⋅ ↘ 229hm ⋅ ⤓ 187m ⋅ ⤒ 273m ⋅ ◷ 5:40:02  ⋅ Σ 803.2km

Die Gegend, in der wir uns der­zeit befin­den, ist offen­bar kei­ne Haupt­de­sti­na­ti­on für Rad­rei­sen­de. Wir haben seit der Duna­jec-Schlucht nur einen ein­zi­gen Rad­fah­ren­den mit Bike­pack­ing-Aus­rüs­tung gese­hen, klas­si­sche Rad­wan­dern­de über­haupt nicht. Wenn man aber von ein paar weni­gen Kilo­me­tern auf stär­ker befah­re­nen Stras­sen mit reich­lich LKW-Ver­kehr absieht, denen man lei­der kaum aus­kommt, ist die­ser Teil Polens aus­ge­spro­chen rad­wan­der­bar. Das liegt nicht an den Rad­we­gen, von denen es haupt­säch­lich inner­orts wel­che gibt, oft auch gepflas­tert wie in Deutsch­land (manch­mal längs gepflas­tert – igitt!), son­dern an den wenig befah­re­nen Neben­stras­sen, auf denen man schnell vor­an kommt.

Beim Durch­fah­ren erscheint uns die Gegend arg zer­sie­delt. Manch­mal weiss man nicht, ob ein Ort wirk­lich ein Ort ist oder nur eine Ansamm­lung von ein paar Häu­sern mit zu gros­sen Gär­ten, Dop­pel­ga­ra­ge, Thu­jen­he­cke und Zaun drum her­um. Das sind aber nicht nur alte Häu­ser, die sind ja hübsch mit ihren bunt blü­hen­den Blu­men­ra­bat­ten und Rosen­bü­schen. Nein, es wer­den in die­sen unprak­ti­schen, nur mit dem Auto wirk­lich erreich­ba­ren Lagen auch zahl­rei­che neue Ein­fa­mi­li­en­häu­ser errich­tet, die aber scheints auch mit einem Gas­an­schluss ver­sorgt wer­den. Erin­nert uns frap­pant an so eini­ge Gemein­den in Niederösterreich.

Nicht mit Nie­der­ös­ter­reich son­dern eher mit der ober­ös­ter­rei­chi­schen Lan­des­haupt­stadt Linz ver­gleich­bar ist Rzes­zów: rund 200.000 Einwohner*innen, Haupt­stadt der hie­si­gen Woj­wod­schaft, end­lo­ses Ein­kaufs­zen­trum ent­lang der Ein­fahrt, sehens­wer­ter Haupt­platz. Dann aber hört es schon auf mit den Änlich­kei­ten: in der Mit­te des Haupt­plat­zes (Rynek) steht kei­ne Pest­säu­le son­dern das Rat­haus, rund­um ein Gast­gar­ten neben dem ande­ren. Wir haben uns einen aus­ge­sucht, in dem es loka­les Bier gibt, Rip­perl für Ulrich und “gali­zi­sche Pie­ro­gi” für mich. Die “gali­zi­schen” Pie­ro­gi haben bis zum Angriff Russ­lands auf die Ukrai­ne noch “rus­si­sche” geheis­sen, sie schme­cken aber auch unter dem neu­en Namen.

Wenn wir schon beim The­ma Essen sind und weil man sich hier neben der Band eh kaum unter­hal­ten kann, kann ich da auch noch ein bis­serl dazu sagen: Mit­tag­essen gibt es auf Rei­sen bei uns immer bei irgend­wel­chen Bäcke­rei­en oder Super­märk­ten. In der Slo­wa­kei und in Polen sind ers­te­re eher rar, dafür gibt es zahl­rei­che klei­ne Lebens­mit­tel­ge­schäf­te (auf Wie­ne­risch: Greiss­ler) und in grös­se­ren Orten auch Super­märk­te. Das gän­gi­ge Gebäck ist süd­lich der Tatra der Roh­lik, eine Art Salz­stan­gerl ohne Salz oder läng­li­ches Sem­merl oder nur leicht gebo­ge­nes Kip­ferl, das geschmack­lich so neu­tral ist wie die Schweiz nur ein paar Cent kos­tet. Das pol­ni­sche Äqui­va­lent dazu ist rund, ein wenig teu­rer und wür­de auch zu allem pas­sen, aber lei­der ist die Ver­sor­gung mit Käse hier ein wenig ein­ge­schränk­ter. Es gibt zahl­rei­che Wurst­sor­ten, aber bei Käse hat die Slo­wa­kei die Nase vorn, zumin­dest wenn man (geräu­cher­ten) Lip­tau­er Schaf­kä­se in ori­gi­nel­len For­men mag. Schnit­ten als Des­sert (für unse­re ober­ös­ter­rei­chi­schen Leser*innen: Waf­ferl) gibt es auch auf bei­den Sei­ten der Gren­ze und eine uner­war­te­te Aus­wahl an alko­hol­frei­em Bier. 3–4 Sor­ten sind an der Tank­stel­le Stan­dard, Rad­ler noch nicht mit­ge­rech­net, von dem gibt es noch dop­pelt so viel, aber wer will wirk­lich Rad­ler mit Mango­ge­schmack? Ich habe ihn todes­mu­tig pro­biert… Expor­tie­ren könn­te man aber die pol­ni­schen “Żap­ka”, eine Ket­te klei­ner Geschäf­te, die im Stadt­zen­trum 6 bis 23 Uhr die Grund­ver­sor­gung mit so Din­gen wie Sau­err­rahm, Fer­tig­piz­za, Kaf­fee, Mars­rie­geln und natür­lich Bier sicher­stel­len. Im Grun­de eine Tank­stel­le, die kein Ben­zin verkauft. 

Jetzt ist die Band jetzt auch fer­tig mit “Let it be” und wir kön­nen uns wie­der erns­te­ren The­men wid­men. Das wäre lei­der auch hier in Rzes­zów die Geschich­te der Stadt in den Jah­ren 1939–45. Sie liest sich wie die von ges­tern: Flucht, Erschies­sun­gen, Ghet­to, Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger. Was hier aber nicht so auf­fällt wie ges­tern ist die Erin­ne­rung an die Ver­bre­chen. Die war ges­tern im Stadt­zen­trum deut­lich zu sehen, hier aber nicht so sehr, so zumin­dest unser Ein­druck nach einem aus­führ­li­chen Spa­zier­gang. Die bei­den alten Syn­ago­gen hat die Stadt in den 50er und 60er Jah­ren wie­der auf­ge­baut, aber damals war schon klar, dass es hier kei­ne jüdi­sche Gemein­de mehr geben wird. Die Alt­städ­ti­sche Syn­ago­ge – die ältes­te, die wir bis­her gese­hen haben, aus dem frü­hen 17. Jhdt. – und ihre nur 100 Jah­re jün­ge­re Ergän­zung, die Neu­stadt­syn­ago­ge, wur­den von vorn­her­ein so wie­der­her­ge­stellt und umge­baut, dass sie ihrem künf­ti­gen neu­en Zweck als Stadt­ar­chiv und Gale­rie die­nen konnten.

Die Fotos

Die Stre­cke


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