Heute war der Tag der historischen Stadtplätze. Zuerst beim Frühstück von der Terrasse des Hotels noch einmal ein Blick auf den Hauptplatz von Kroměříž, er gefällt uns auch am zweiten Tag noch und endlich wieder nicht in sengender Sonne zu braten lässt uns den Ausblick noch ein paar Minuten länger geniessen. Den zweiten Platz gab es dann in Lipník nad Bečvou: nicht ganz so prominent, nicht ganz so geschniegelt, aber deshalb umso reizvoller, eine richtige Filmkulisse, geeignet für historische Schinken von Mantel und Degen bis 20. Jahrhundert. Den dritten Stadtplatz gab es dann in Hranice na Moravě zum Kaffee und den letzten haben wir jetzt in Nový Jičín. Alle genannten Städte haben gemeinsam, dass sie im 30-jährigen Krieg stark beschädigt wurden und durch den Bevölkerungsverlust in der ganzen Region an Bedeutung verloren. Wegen der Kriegsschäden haben sie auch alle recht ähnliche, aber doch unterschiedliche Stadtplätze, zumindest teilweise auch mit Arkadengängen. Wir sind da ja Fans.
Heute war auch der Tag der Synagogen. Lipník nad Bečvou hat eine wirklich aussergewöhnliche. Nicht weil sie so gross oder so schön wäre, sondern sie ist wohl die älteste Synagoge, die wir bisher gesehen haben. Sie stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wurde im Laufe der Jahrhunderte aber mehrfach umgebaut. Die jüdische Gemeinde wurde in der Shoah komplett ausgelöst, die Synagoge dient heute der Hussitischen Kirche als Gotteshaus, aber leider kann man nicht so einfach rein. Auch in Hranice gibt es eine Synagoge, ein paar Jahrhunderte jünger, aus den 1860er Jahren. Auch hier ist uns eine Besichtigung von Innen verwehrt geblieben, am Montag hat man nämlich geschlossen. Ansonsten wäre es schon möglich, denn die ehemalige Synagoge ist heute Teil des städtischen Museums von Hranice und zumindest den Fotos nach durchaus einen Besuch wert. Die Lage auf der Stadtmauer ist jedenfalls ungewöhnlich, sie ist der beengten Wohnsituation der jüdischen Gemeinde der Stadt bis ins 19. Jahrhundert geschuldet, als jüdische Einwohner*innen zwar geduldet waren, gleichzeitig in der Stadt aber nicht mehr Häuser kaufen oder mieten durften als sie schon hatten. Man hatte also wirklich überhaupt keinen Platz. Im Gegensatz zu den Synagogen von Lipník und Hranice lag die von Nový Jičín im November 1938 im Deutschen Reich, die Stadt ist knapp innerhalb der Grenze des damaligen „Sudetengaus“. Dass sie noch steht, liegt an ihrer Lage in der Stadt, angeblich nahe einer Tankstelle. Sie ist heute Magazin des Stadtarchivs und irgendwie sieht sie auch so aus mit ihrer mausgrauen Verputz-Fassade anstelle des historistischen maurischen Dekors, den sie ursprünglich hatte.
Heute haben wir viele Pausen gemacht und uns lieber mal das eine oder andere Städtchen angesehen als durchzufahren. Das lag vor allem am Wind, der derzeit von Nordosten kommt und wir wollen – erraten – nach Nordosten. Die heutige Route kann man dennoch empfehlen, vor allem den Teil an der Bečva, einem Nebenfluss der March, der uns auch noch an ein paar sehr ansehnlichen Schlössern vorbeigeführt hat (Chropyně, Hustopeče und wahrscheinlich noch ein paar, die ich jetzt vergessen habe, an Schlössern hat es hier wirklich keinen Mangel).
Eine ganz wichtige Frage haben wir dann auch noch klären können: Warum gibt es hier keinen Zwetschgenkuchen zu kaufen? Wäre doch genau die richtige Jahreszeit dafür. Wir haben um diese Frage endlich anzugehen kein Risiko gescheut und von einem der Zwetschgenbäume, die in ganz Mähren die Strassen säumen und sich heuer unter der Last ihrer Früchte biegen, ein Sample geklaut. Mal abgesehen davon, dass eine davon nicht ganz vegetarisch war, schmecken diese Zwetschgen alle ausgezeichnet, aber sie gehen nicht vom Kern. Wenn man daraus Kuchen machen will, muss man tatsächlich den Umweg über den Powidl gehen.
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