Heute gibt es Kontrastprogramm zu den letzten Abenden: Kurort statt Touristen- und Studentenstadt. Busko-Zdrój liegt im ehemals zaristischen Teil Polens und sieht in etwa so aus, wie man sich einen Kurort vorstellt: Kurhaus mit Konditorei unter den Arkaden, einem kleinen Konzertsaal mit Flügel, Physiotherapie und heilendem Wasser in drei Varianten. Davor ein riesiger Park mit Rosen und alten Bäumen, Springbrunnen und einem Podest für die Kurkapelle, falls es eine solche gibt. Altersschnitt jenseits der 60, was aber nicht nur an den Kurgästen liegt, sondern auch daran, dass weiter oben auf dem Hügel heute Volksfest ist. Das kann man sich in etwa so vorstellen wie ein Feuerwehrfest für eine Stadt mit 16.000 Einwohner*innen, es gibt also Hot Dogs, Grillspiesse, Pommes und Zapiekanki, polnische überbackene Käsebaguettes mit Champignons, Ketchup und gerösteten Zwiebeln (schmeckt wesentlich besser als es für unsere verwöhnten Gaumen klingt). Dazu Bier aus der Brauerei der Region, gezapft in einer unglaublichen Geschwindigkeit und Organisation, sodass ein einziger Bierstand das ganze Volksfest versorgt. Eine Band spielt 90er Jahre Rock, 90er Jahre Reggea und dann wieder 90er Jahre Rock und hinter der Bühne kann man Zapiekanki und Bier in ein paar Fahrgescháften ziemlich stillos wieder loswerden.
Auf dem Radweg ins kurort-typisch ausgestorbene Stadtzentrum hat man ein paar Stände mit Spezialitäten, Kunsthandwerk und Flohmarkt aufgebaut und ich muss jetzt ein und für alle mal ein paar Sachen berichtigen. Erstens: es gibt hier in Polen auch sehr brauchbaren Käse. Letztes Jahr habe ich noch das Gegenteil behauptet, aber wenn man den kleinen Räucherkäuse aus Zakopane erhitzt und mit Preiselbeeren serviert, dann ist das eine 1a Vorspeise, quasi ein geräuchertes Mini-Fondue. Und zweitens: das hiesige alkoholfreie Bier ist tadellos bis sehr gut. Wir haben letztes Jahr offenbar nur die Massenware erwischt, aber es gibt auch richtige Brauereien, die 0.0% oder 0.5% Bier, oft IPA, produzieren. Da ich mir Markennamen kaum merken kann, habe ich alle, die mir schmecken, fotografiert, und werde dann in Wien die polnischen Geschäfte abklappern. Gibt ja ein paar.
Unten beim Kurzhaus aus den 1830er Jahren findet das Kontrastprogramm zum Volksfest statt: Vivaldi aus der Konserve auf der einen Seite des Parks, volkstümliche Tanzmusik auf der anderen. Wir ziehen uns vor der Kakophonie in die Arkaden des Kaffeehauses zurück, bestellen ein anderes lokales Bier und lassen den eigentlich völlig ereignislosen Tag Revue passieren. Bahnradwege sind nämlich wunderbar zum Fahren, aber spannend sind sie im Normalfall leider nicht. Man stelle sich 90 Kilometer Weinviertel vor, dann hat man ein Gefühl dafür, wie es hier heute ausgesehen hat.
Schreibe einen Kommentar