Heute folgen wir dem Weichselradweg durch eine brettlebene Landschaft, nur einmal geht es ein paar Meter nach oben als wir eine Hügelkette queren, die sich von Częstochowa bis an die Weichsel zieht, dann gleich wieder runter und weiter eben dahin. Der Radweg verläuft meist auf dem Hochwasserschutzdamm, grossteils asphaltiert, manchmal geschottert, also auch schlechtwettertauglich, wenn man denn bei Schechtwetter überhaupt auf der Dammkrone fahren will. Auch heute war so ein Tag, an dem man sich das besser überlegt, denn Schatten gibt es keinen auf dem Deichradweg und nur wenig auf den anderen Abschnitten, wenn er mal durch die Ortschaften verläuft. Insgesamt aber recht hübsch, vor allem der letzte Abschnitt vor und in Kraków, auf dem dann auch ein wenig mehr los war, davor waren wir über weite Strecken allein unterwegs und wurden von jedem der wenigen Rennradfahrer und Radreisenden gegrüsst.
Kraków ist da ein deutlicher Kontrast. Die Stadt ist eine der wichtigsten Tourismusdestinationen in Polen und hat auch einiges zu bieten. Wir beziehen unser Quartier für die nächsten Tage, eine kleine Wohnung in der Altstadt, und werfen uns ins Gewühl des Einkaufszentrums am Bahnhof. Das ist der Nachteil am Quartier ohne Frühstück: man muss selber einkaufen gehen, aber die Nummer mit dem frischen Baguette und den Croissants hebe ich mir für das nächste Mal in Frankreich auf, hier gibt es einfach Müesli. Kein Frühstücksbuffet, dafür aber eine Waschmaschine, das ist es auf jeden Fall wert, dafür kaufen wir doch gerne ein. Die Schnapsabteilung, v.a. die Unterabteilung für Wodka, im Carrefour ist für sich schon fast eine Sehenswürdigkeit.
Der Rest des Tages ist eine Wanderung durch die Gassen der bestens erhaltenen Altstadt (keine Bombenschäden aus dem Zweiten Weltkrieg). Wir umrunden den Marktplatz, widmen dem Glumpat chinesischer Produktion, das man heute in den Tuchhallen verkauft, keines Blickes, staunen über eine Strassenbahn, die ohne Bügel fährt, geniessen die Kühle des um die Altstadt verlaufenden Parks auf dem Gelände der ehemaligen Stadtmauer und des Glacis und sind insgesamt recht begeisterte Städtetourist*innen.
Als die Sonne langsam untergeht (das tut sie mittlerweile viel zu früh), erklimmen wir noch den Wawelhügel, auf dem der Palast der polnischen Könige steht. Man kann zwar nicht mehr in die Gebäude hinein, die haben nämlich teilweise eher Amtsstunden als Öffnungszeiten. Die Wawel-Kathedrale wird derzeit nicht nur renoviert, sie wird auch mehrmals täglich für Gottesdienste verwendet. Das ist etwas, an das ich mich auch erst gewöhnen muss: Kirchen werden hier benutzt. Das verlängert zwar die Öffnungszeiten (Abendmesse!)„ aber wir haben davon wenig, weil man während der Messe nicht besichtigen darf. OK, also keine Kathedrale und keine Königsgräber, dafür aber ein Schloss und ein Renaissance-Innenhof, der deutlich zeigt, dass Polen um 1500 eines der grossen und wichtigsten Länder Europas war. Auch wenn wir das gewusst haben, manchmal muss man Dinge, die man eigentlich weiss, auch dinglich vor Augen haben.
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