Tag 4: Nový Jičín – Čes­ký Těšín / Cieszyn

⌴ 68km ⋅ ↗ 679hm ⋅ ↘ 690hm ⋅ ⤓ 252m ⋅ ⤒ 376m ⋅ ◷ 5:22:36  ⋅ Σ 361km

Gleich hin­ter Nový Jičín, also nur weni­ge Kilo­me­ter auf unse­rer heu­ti­gen Rou­te, ist einer der ganz gros­sen Wie­ner gebo­ren, wie es sich gehört nicht in Wien, son­dern irgend­wo in den „Kron­län­dern“ Kaka­ni­ens. Hier in Pří­bor hat man den Haupt­platz (im 30-jäh­ri­gen Krieg zer­stört, daher barock, wie es sich für die Gegend gehört) ein­mal nicht nach T. G. Masa­ryk benannt, son­dern nach dem gröss­ten Sohn der Stadt, der aber gera­de mal 3 Jah­re alt war als sei­ne Eltern beschlos­sen haben nach Wien zu zie­hen. Sein Geburts­haus ist heu­te als „bür­ger­li­ches Haus des 19. Jahr­hun­derts“ reno­viert und davor steht ein bron­ze­ner Diwan mit Über­wurf­de­cke und ein paar sehr har­ten, weil eben­falls bron­ze­nen, Pols­tern. Erra­ten: es ist Sig­mund Freud, der hier in Freiberg/Příbor gebo­ren wurde.

Die Land­schaft in die­sem Teil Mäh­rens ist viel grü­ner als die Step­pe des Südens. Hüge­li­ger ist es aber auch, und dass wir uns quer zu den Tälern bewe­gen, lässt auf den knap­pen 70 Kilo­me­tern dann 700 Höhen­me­ter zusam­men­kom­men bevor wir end­lich in Teschen/Český Těšín ankom­men. Teschen ist eines aus der lan­gen Lis­te der Her­zog­tü­mer aus dem vol­len Titel der habs­bur­gi­schen Kai­ser und es ist eines der Items auf der Lis­te (vgl. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Franz_Joseph_I.), wo man sich fragt, wo denn das bit­te sein soll. Lodo­me­rien ist auch so ein Fall, und auch Kyburg muss­te ich nach­schla­gen und das „etc. etc.“ in der lan­gen Lis­te fällt mir auch schwer zu ver­or­ten. Damit ihr nicht sel­ber goo­geln müsst: Lodo­me­rien ist das Fürs­ten­tum Wol­hy­ni­en (ok, das war viel­leicht kei­ne beson­ders gute Erklä­rung, gebe ich zu) und liegt heu­te in der Ukrai­ne, Kyburg ist in der Schweiz. 

Das Her­zog­tum Teschen inkl. der gleich­na­mi­gen Stadt ist das Res­terl von Schle­si­en, das den Habs­bur­gern noch geblie­ben ist, nach­dem sie den Groß­teil im 18. Jahr­hun­dert an Preus­sen abtre­ten muss­ten, es liegt heu­te genau auf der pol­nisch-tsche­chi­schen Gren­ze. Wegen die­ser Stadt und ihrem Umland gab es 1919 sogar krie­ge­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Polen und der dama­li­gen Tsche­cho­slo­wa­kei, die als Sie­ben­ta­ge­krieg in die Geschich­te ein­ge­gan­gen sind. Es ging um die Berg­wer­ke der Gegend, aber auch um die wich­ti­ge Bahn­stre­cke nach Košice. Es wur­de ein Kom­pro­miss gefun­den (dass Polen gera­de im Osten ande­re Pro­ble­me hat­te, hat die Kom­pro­miss­be­reit­schaft sicher beför­dert): Polen bekam die Stadt, die Tsche­cho­slo­wa­kei den Teil auf dem ande­ren Ufer der Olza, den mit dem Bahn­hof. So rich­tig zufrie­den war mit dem Kom­pro­miss aber nie­mand und man hat dann doch schon knapp 40 Jah­re spä­ter offi­zi­ell Frie­den geschlos­sen. Dazwi­schen war das Münch­ner Abkom­men, der Ein­marsch Polens im tsche­chi­schen Teil Teschens, ein Welt­krieg, Mil­lio­nen Tote und Ver­trie­be­ne, die Ver­schie­bung Polens nach Wes­ten. Kurz: euro­päi­sche Geschichte.

Eines der – zuge­ge­ben weni­ger pro­mi­nen­ten und viel­leicht auch gänz­lich unwich­ti­gen – Opfer der Geschich­te war die Stras­sen­bahn von Teschen. Man hat sie 1911 eröff­net um den Bahn­hof auf dem einen Ufer mit dem Rat­haus­platz auf dem ande­ren Ufer zu ver­bin­den. War viel­leicht nicht der bes­te Zeit­punkt dafür, rück­wir­kend betrach­tet. 1921 näm­lich, nach Krieg und Tei­lung und mit einer Gren­ze mit­ten auf der Brü­cke, war der Betrieb nicht mehr sinn­voll und so hat man die Stras­sen­bahn von Teschen nach gera­de ein­mal 10 Jah­ren wie­der ein­ge­stellt. Nach der Wen­de und dem Bei­tritt Tsche­chi­ens und Polens zur EU hat man die Stras­sen­bahn nicht wie­der errich­tet (das wäre doch zu schön), aber man hat teil­wei­se wie­der Schie­nen ver­legt und an den ehe­ma­li­gen Sta­tio­nen im Boden Umge­bungs­plä­ne ein­ge­las­sen, die zei­gen, was hier ein­mal war und heu­te ist. Auf dem pol­ni­schen Ufer steht auch eine sehr schön restau­rier­te alte Stras­sen­bahn, an der vor allem die Kin­der ihre hel­le Freu­de haben (sie kann bimmeln!).

Wie woh­nen gleich beim Bahn­hof und sind qua­si mit der Stras­sen­bahn ins Stadt­zen­trum „ǵefah­ren“. Einen inter­es­san­ten Mix an Geschäf­ten hat man hier: auf der tsche­chi­schen Sei­te, in Čes­ký Těšín, gibt es auf der Haupt­stras­se haupt­säch­lich Alko­hol. Auf der pol­ni­schen hin­ge­gen gibt es alles mög­li­che, was es halt ein einer Stadt die­ser Grös­se so gibt, aber nur zu Amts­stun­den. Die Geschäf­te schlies­sen näm­lich meist um 17 Uhr, man­che sogar noch frü­her und irgend­wann hat nur noch der Żab­ka offen und ver­sorgt die Umge­bung mit Bier, Cola und Scho­ko­rie­geln. Um 18 Uhr durch die Stadt zu gehen fühlt sich an wie Sonn­tag Nach­mit­tag in Österreich.

Die Fotos

Die Stre­cke


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