Vor uns fährt ein Mann von etwa 60 Jahren auf einem älteren Trekkingbike mit Plastikkörbchen voll mit Einkäufen. Er hält sich wacker, biegt forsch links ab, rollt dann elegant um die Rechtskurve und gibt noch ein wenig Gas. So erreicht er die nächste Ampel nach links über den Zebrastreifen. Bei der Auffahrt auf den Gehsteig muss er leicht aus dem Sattel gehen und an der Fussgängerampel danach kurz warten bevor er über den Zebrastreifen fährt und in die nächste Gasse nach rechts abbiegt. Die endet in einem Schotterstück, was ihn aber auch nicht daran hindert sein Handy, das genau jetzt läutet, abzuheben und telefonierend nach rechts zu entschwinden. Schade, denn wir hätten von ihm noch viel lernen können, wie man in Zagreb mit dem Rad unterwegs ist. Wir müssen nach links und dürfen dann eine geschlagene Viertelstunde an einem Bahnübergang warten bis die Schranken sich wieder öffnen. In der Zwischenzeit passieren und 1. ein neuer Nightjet der ÖBB (WTF? auf dieses Fahrzeug wartet halb Europa und es kurvt leer in Kroatien rum?), 2. eine Taurus der MAV Cargo (WTF?) und 3. ein vollbesetzter kroatischer Regionlazug. Den Fussgänger*innen und Radfahrenden am Schranken reisst reihenweise der Geduldsfaden, sie überqueren die 4 oder 5 Gleise auf eigene Faust, und auch dem Motorradfahrer neben uns ist anzusehen, dass er gerade überlegt, ob er sein Fahrzeug so schräg legen und v..a. danach wieder aufrichten kann, dass er unter dem Schranken durch passt.
Es hat keine 30 Kilometer gedauert und wir sind schon akklimatisiert, auch wenn der Kulturschock nach 3 Tagen Slowenien erheblich war. Slowenien ist nämlich ein sehr Fahrrad-taugliches Land, wenn man irgendwie mit den teilweise erheblichen Steigungen umzugehen weiss. Es ist nicht allzu dicht besiedelt, hat über weite Strecken taugliche Radwege oder zumindest wenig befahrene Nebenstrassen, freundliche und rücksichtsvolle Autofahrer*innen, kleine Geschäfte für Verpflegung und Bier für danach. Beim Fahren hat man oft das Gefühl in Vorarlberg oder im Schwarzwald unterwegs zu sein: adrette kleine Orte, Kirche und Einfamilienhäuser mit Carport und Solaranlage, die drei Mistkübel (Bio, Recycling, Rest) in Reih und Glied neben dem Gartentor bekommen manchmal sogar ein Dach spendiert. Man wird ständig drauf hingewiesen, dass das Trinkwasser tatsächlich trinkbar ist (wo in Europa ist es das nicht? Aber man kanns nicht oft genug sagen und Plastikflaschen einsparen) und auch sonst wirkt alles, als wäre man gern ein wenig grüner als die Nachbarn. Der einzige Nachteil des Landes ist, dass es recht klein ist (Fläche und Bevölkerung entsprechen in etwa der von Unterkärnten und der Steiermark und Graz entspricht in etwa der Hauptstadt Ljubljana), weshalb man bald bei besagten Nachbarn ankommt.
Wären wir nicht mit dem Rad unterwegs sondern mit dem Zug, so müssten wir zwischen Ljubljana und Zagreb mit einer Fahrzeit von 4 Stunden rechnen. Zu Zeiten der k.u.k. Staatsbahn war man auf der selben Strecke ebenfalls 4 Stunden unterwegs, durfte dabei aber sitzen bleiben. Heute fahren fast alle Züge nur an die slowenisch-kroatische Grenze, wo man (ernsthaft! kein Scherz!) von den Fahrgästen verlangt die 1.5 Kilometer zwischen den Grenzbahnhöfen zu Fuss zurückzulegen. Mit Gepäck. Ohne Gehsteig. ÖBB Scotty empfiehlt das tatsächlich so. Mit dem Rad ist es nur ein weiteres Stück slowenischer Landstrasse, dann ein kroatischer Radweg und relativ bald die Stadteinfahrt von Zagreb, die uns mehr als eine Stunde in der Rush Hour gekostet hat. Ein Spaziergang durch die Altstadt, der man noch immer die Erdbebenschäden von 2020 ansieht, ist sich aber natürlich noch ausgegangen. Nachdem der heutige Text aber eh schon fast zu lang ist, verweise ich auf die Bilder.
Schreibe einen Kommentar