Heute habe ich ein neues Dessert kennen gelernt. Soll heissen: das, was man mir serviert hat, habe ich natürlich schon gekannt, ich habe nur nie gewusst, was man damit macht. Wir waren vor ein paar Jahren auch dort, wo das herkommt, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass man mir, wenn ich Pruneaux à l’Armagnac bestelle, tatsächlich genau das serviert. Also Dörrzwetschgen in Schnaps. Ziemlich viel Schnaps. Den ich natürlich nicht stehen gelassen habe. Ich ersuche daher heute beim Text um Nachsicht, ich bin nicht an den Genuss von Hochprozentigem gewöhnt.
Ausser hochprozentig wars heute hauptsächlich anstrengend. Der Nachtzug aus Wien war fast pünktlich, unser AirBnB aber noch nicht bezugsfertig, und wir wollte nicht das Gepäck am Bahnhof abgeben. Wir haben uns also bis fast 14 Uhr mit den Falträdern die Radinfrastruktur von Paris angesehen, was nicht für einen umfassenden Überblick reicht, aber wir waren ja schon das eine oder andere Mal hier. Neu war uns die Rue de Rivoli in ihrer derzeitigen Gestalt: Autos gibt es nur noch auf einer Spur, Bus dort, wo er halt fährt, Parkplätze keine und der Rest ist für zu Fuss gehende und Rad fahrende Menschen reserviert. 5.5 m Radwegsbreite in Richtung Place de la Concorde! Da kommen einem die 4 m in die andere Richtung schon richtig knausrig vor. Shame on you Praterstrassen-Planer, oder wollt ihr behaupten, dass man in Paris nichts von Boulevards versteht? Die 9.5 m sind ab sofort die Richtschnur auch für Planungen in Wien! Wir hoppeln anschliessend über das dem Oberflächenzustand nach vorrevolutionäre Kopfsteinpflaster auf der Place de la Concorde (wird angeblich bis 29.5. alles renoviert) und fahren dann ein Stück die Seine entlang, wo an einem Samstag Vormittag hauptsächlich die Läufer*innen unterwegs sind. Sind wohl alle grade bei den letzten Trainingseinheiten für den Marathon am Wochenende nach Ostern. Als die Strecke neben der Seine plötzlich endet, wenden wir uns in Richtung des Bois de Boulogne um dort auch noch eine kleine Runde zu drehen, auch hier alles voll mit Läufer*innen aller Trainingsstände.
Quartier beziehen, Frühstück einkaufen und dann geht es zu Fuss ins Zentrum zurück, zum Invalidendom, zum Musée d’Orsay, durch die Gassen der Rive Gauche und dann landen wir bei der grössten Sehenswürdigkeit von allen im Jardin du Luxembourg: 2 ausgesuchten Spezialitäten der französischen Patisserie, einem „Cheesecake“ mit Zitrusfrüchten und einer Halbkugel mit weisser Schokolade. Doch kaum haben wir die Patisserie verkostet, werden wir auch schon mit lauten Pfiffen aus mehreren Trillerpfeifen aus dem Park vertrieben. Der hat nämlich eine Sperrstunde. War uns so nicht bewusst. Was wir auch nicht glauben konnten, war wieviele Menschen in diesem nicht so riesigen Park offenbar gewesen sein mussten und jetzt in langen Karawanen zu den Ausgängen ziehen. Nur ein paar jugendliche Pärchen bleiben noch auf den Bänken sitzen und lassen es auf eine Extra-Ausladung ankommen.
Runter den Boulevard Saint-Michel, der auch gerade umgebaut wird (es kommt ein Radweg mit Fahrbahntrenner aus Granit, wie extra betont wird, kein schnödes Jersey-Wandl aus Beton) und dann ist es dunkel genug für ein paar Bilder der nächtlichen Baustelle von Notre-Dame, die schon wieder ihre Flèche hat, wie sie vom wichtigsten Architekten des französischen Mittelalters, Eugène Viollet-le-Duc (1814–1879), erbaut worden war bevor sie beim Brand der Kathedrale 2019 in den Innenraum gestürzt ist. Die Wiedererrichtung von Notre Dame hat oberste politische Priorität, immerhin hat der Präsident ja die Eröffnung nur 5 Jahre nach dem Brand zugesagt. Und wie wir alle wissen: das Allerwichtigste bei grossen Bauprojekten ist, dass sich die obersten Chefitäten gleich zu Beginn des Projekts und unabgesprochen zu einem Fertigstellungsdatum committen. Ob sich das ausgehen wird? Wir werden es sehen, davor aber suchen wir uns ein Abendessen und dann werden die nach 25 km auf den Pflastern von Paris gehörig müden Beine hochgelegt.
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