Es kommt nicht auf die Grösse an! Birštonas mit seinen gerade mal rund 3.000 Einwohner*innen überragt das mehr als 10 mal so grosse Marijampolė in puncto Urbanität um Längen. Ein klassisches Stadtzentrum, wie wir es sonst kennen, können wir zwar hier auch nicht ausmachen, aber es fühlt sich wesentlich belebter an, auch und vielleicht gerade weil es sich um einen Kurort handelt. Als solcher hat es Kurbäder für das seit 200 Jahren geschätzte salzige Wasser. Keine Ahnung, wogegen das wirken soll, es ist auf jeden Fall gut für den Tourismus und das merkt man hier. Kurkonditoreien scheinen in diesem Bereich Europas zwar nicht so bekannt zu sein, aber ein Stand mit Waffeln und Eis ist ein ganz brauchbarer Ersatz. Man hat auch ein paar Restaurants mit fast normalen Öffnungszeiten, d.h. solche, die nicht schon um 21 Uhr zusperren.
Birštonas ist luftig und offen verbaut, es gibt fast nur Einfamilienhäuser neben den Sanatorien und Hotels. Dürfte hier auf dem Land und in kleinen Städten noch üblicher sein als in Österreich und macht zusammen mit der extrem lockeren Siedlungsstruktur und der dünnen Besiedlung sicher jegliche Erschliessung mit öffentlichem Verkehr, medizinischer Hilfe oder gar mit Gas etc. zur Herausforderung. Die von uns sonst so geschätzen völlig unwichtigen Nebenstrassen können wir hier mangels Asphaltbedeckung leider nicht nutzen und müssen auf die nächsthöhere Kategorie ausweichen, von der OpenStreetMaps als “secondary road” bezeichnet. Autoverkehr gibt es auf diesen Strassen im Gegensatz zur Stadteinfahrt am Ende allerdings keinen, dabei scheint hier alles und jeder mit dem Auto unterwegs zu sein, vorzugsweise im SUV. Was das anlangt wähnen wir uns manchmal fast irgendwo in den USA, aber ein paar Limousinen von BMW, Renault und Škoda holen uns doch nach Europa zurück. Zum Rennradfahren wären die hügeligen Strassen allerdings perfekt geeignet, und das haben ausser uns heute sogar zwei weitere Menschen so gesehen. Die anderen müssen an einem Donnerstag wohl arbeiten gehen.
Andere Sportler*innen müssen sich diese Woche sicher Urlaub nehmen um ihrem Sport nachgehen zu können, darunter auch künftiger Weltmeister*innen. Hier in Birštonas hat in den letzten Tagen die Weltmeisterschaft in ARDF oder “radio fox hunting” stattgefunden. Wem diese Sportart nichts sagt, der sei getröstet, denn wir haben heute auch zum ersten Mal davon erfahren. ARDF bedeutet “amateur radio direction finding” und ist genau das: eine Art Orientierungslauf mit Amateurfunk. Man “jagt” im Wald, von dem es hier ja mehr als genug gibt, Funksignale aussendende “Fuchs” genannte Sender, muss sie alle finden und nach möglichst kurzer Zeit im Ziel ankommen. Wir kommen gerade zum Beginn der Siegerehrung an der Bühne vorbei und wissen jetzt, dass Tschechien und die Ukraine diesen Sport ziemlich dominieren. Wundert uns eigentlich auch nicht.
Birštonas ist die erste Stadt, durch die wir kommen, die am Nemunas (dt. Memel) gelegen ist, einem Fluss, der hier langsam zwischen bewaldeten Ufern vorbeizieht. Im Winter aber dürfte er noch regelmässig zufrieren und auch noch Eisstösse verursachen, wie man sich vor wenigen Jahrzehnten auch noch an der Donau gekannt hat. Man merkt, dass es hier doch noch um einiges kälter ist als in Wien, auch jetzt im August, doch den Einheimischen hier scheint das wenig auszumachen. Wer kurze Hosen tragen will, tut das ohne Gänsehaut und im Gastgarten bin ich die einzige mit Decke. Verfrorene südländische Weicheier eben.
Die Fotos































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