Noch einmal geht es heute durch eine am Rand gelegene Gegend, man ist sich dieser Tatsache hier aber durchaus bewusst und kokettiert auch ein wenig damit. Wir sitzen hier in Suwałki z.B. gerade beim dritten geteilten Honig-Bier. Wir wollten Seiterln zum Testen, aber “Honig-Bier haben wir leider heute nicht vom Fass, aber ich kann euch eine Flasche und zwei Gläser bringen, sind ja nur 100 ml Unterschied” hat uns davon überzeugt, dass man auch ausserhalb von Frankreich Bier aus 0.25 Liter-Gläsern trinken kann. Die Brauwirtschaft wirbt damit zu stehen “where Poland ends and good beer begins”. Auch die Eisbärendichte ist hier auf Geschäftsschildern recht hoch – man ist im Norden des Landes und es ist im Winter wirklich saukalt. Dass wir hier im Norden sind, merken wir eigentlich aber erst als ich von einem Baum an der Strasse ein paar Kriecherln (Reineclauden) pflücken will, denn die entsprechende Saison im Wiener Umland haben wir heuer verpasst. Hier sind diese Früchte sogar noch etwas unreif! Unser alljährlicher Vergleich “hier sieht es aus wie im Weinviertel” wird demgemäss abgewandelt zu “hier ist es wie im Waldviertel”. Kommt auch landschaftlich in etwa hin: Felder, dazwischen Wald, kleine Orte und wir suchen uns nach Möglichkeit die einsamen Strassen aus, an denen uns höchstens ein paar Kaltblutpferde auf der Weide begegnen. Diese zu halten scheint hier sowas wie ein lokales Hobby zu sein, den so viele schwere PS mit Fohlen wie hier haben wir noch nirgends gesehen.
Nachdem Suwałki nur rund 30 Kilometer von Augustów entfernt ist, machen wir eine kleine Schleife durch die Landschaft und streifen dabei auch das Gebiet des ehemaligen Ostpreußen. Mittagessen gibt es nämlich in Olecko, ehemals Margrabowa und zwischenzeitlich Treuburg. Den letzteren Namen hat die Stadt wegen ihres überwältigenden Votums für eine Zugehörigkeit zu Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1928 bekommen (keine Gegenstimme – das ist ein Ergebnis, das sich nicht einmal die Führung in Nordkorea zu verkünden traut). Heute ist der riesige Marktplatz ein Park und die Lage der Stadt am See insgesamt traumhaft. Olecko gehört nämlich schon zu Masuren, Suwałki zwar nicht, liegt aber auch recht hübsch mit See und Fluss und nahe am Kanal.
Park hat man hier in Suwałki ebenfalls auf dem Stadtplatz, das scheint hier in der Gegend recht gängig zu sein. Ausserdem hat man eine lange Strasse mit einstöckigen Gebäuden (im Grunde war das hier mal ein riesiges Strassendorf), eine als Geh-Radweg ausgewiesene Fussgängerzone mit ein paar netten Cafés, weiss verputzte Kirchen und vor allem einen anscheinen noch fast original erhaltenen Bahnhof aus der Zarenzeit. Also: hatte man, denn man hat sich offenbar kürzlich dazu entschlossen ihn jetzt doch zu renovieren und jetzt ist er Baustelle. In einigen Jahren nämlich soll hier in Suwałki die Rail Baltica durchgehen, die europäische Bahnverbindung quer durchs Baltikum und durch Polen, und auf die bereitet man sich jetzt schon mal vor. Ist auch noch einiges zu tun, bis jetzt wird hier mit Diesel gefahren und der Bahnhof Suwałki ist ein Kopfbahnhof, aber man plant mehr als 200 km/h und durchgängige Strecke. Den Renderings nach wird die Renovierung das alte Gebäude aber erhalten und auch weiterhin nicht verbasteln und wenn es dann endlich so weit ist, werden wir einfach wiederkommen und Fotos ohne Bauzaun machen.
Die Fotos




























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