Tag 7: Kraków – Ojcow­ski Park Naro­do­wy – Kraków

⌴ 89km ⋅ ↗ 676hm ⋅ ↘ 674hm ⋅ ⤓ 206m ⋅ ⤒ 481m ⋅ ◷ 5:50:52  ⋅ Σ 616km

Eigent­lich ist es noch immer viel zu heiss für Städ­te­tou­ris­mus, bei 30 Grad durch die auf­ge­heiz­te Stadt zu spa­zie­ren, das mag der Kreis­lauf nicht so ger­ne. Stadt­be­sich­ti­gun­gen Ende August/Anfang Sep­tem­ber konn­te man vor dem Kli­ma­wan­del machen, das ist wohl vor­bei. Heu­te sind auch um 22 Uhr noch Men­schen in Kur­zen Hosen, mit Som­mer­kleid­chen und San­da­len unter­wegs, eigent­lich wie am Mit­tel­meer in einem der Bade­or­te. Weil es eben kei­nen Spass mehr macht in der Stadt her­um­zu­wan­dern und wir ja eigent­lich auf Rad­rei­se sind, fah­ren wir heu­te aufs Land. Durch Zufall irgend­wo im Inter­net gefun­den: es gibt hier ein Tal mit spek­ta­ku­lä­ren Fels­for­ma­tio­nen, aus dem man einen Rund­kurs bas­teln kann. Ken­nen wir nicht, dort fah­ren wir hin.

Wir ver­las­sen Kraków auf tadel­lo­sen Rad­we­gen, auf denen kei­ne Rad­fah­ren­den zu sehen sind, durch Rei­hen­haus­sied­lun­gen, in denen das Auto Fami­li­en­an­schluss direkt vor dem Haus hat (die Stadt ist zu Recht für ihre Alt­stadt berühmt und nicht für ihre Neu­bau­ge­bie­te aus den letz­ten Jah­ren), dann die ers­ten Fel­der, die Häu­ser wer­den weni­ger und auf ein­mal sind wir in einem schat­ti­gen Tal. Ein Flüss­chen schlän­gelt sich in Rich­tung Weich­sel, wir neh­men die ande­re Rich­tung und stau­nen dar­über, was ein bis­serl Was­ser und ein sehr viel Zeit an Schön­heit zuwe­ge brin­gen kön­nen. Das Tal ist Teil des Natio­nal­parks Ojców, des kleins­ten der pol­ni­schen Natio­nal­parks. Ojców ist schon jen­seits der ehe­ma­li­gen Gren­ze zwi­schen dem Habs­bur­ger­reich und Kon­gress­po­len (rus­si­ches Zaren­reich) gele­gen. Spielt heu­te natür­lich kei­ne Rol­le mehr, aber uns war nicht bewusst, dass die­se Gren­ze qua­si gleich hin­ter Kraków war.

Nach der Rück­kehr in die Stadt gibt es die obli­ga­to­ri­sche Run­de durch Kazi­mierz, ehe­mals von den pol­ni­schen Köni­gen gegrün­de­tes pol­ni­sches Gegen­ge­wicht zum zeit­wei­se deutsch domi­nier­ten Kra­kau. Hier gab es auch ein jüdi­sches Vier­tel und vor dem deut­schen Über­fall auf Polen rund 60.000 jüdi­sche Bewohner*innen. Das aus Fil­men wie „Schind­lers Lis­te“ bekann­te Ghet­to befin­det sich aller­dings nicht in Kazi­mierz, das wur­de auf der ande­ren Sei­te des Flus­ses ein­ge­rich­tet. Kazi­mierz hat noch immer sie­ben Syn­ago­gen, von denen heu­te zwei noch in Ver­wen­dung sind. Eine davon, die Rem­uh-Syn­ago­ge aus der Renais­sance­zeit, haben wir uns ange­se­hen, ein über­ra­schend klei­nes Gebäu­de mit dicken, reich ver­zier­ten Mau­ern, innen Male­rei, aus­sen Gedenk­ta­feln an die Sho­ah. Der alte Fried­hof, schon zu kaka­ni­schen Zei­ten still­ge­legt, in der NS-Zeit ver­wüs­tet, liegt hin­ter der Syn­ago­ge. Zwi­schen Bren­nes­seln und Bären­klau Jahr­hun­der­te alte Grab­stei­ne, die Fried­hofs­mau­er besteht aus den Frag­men­ten der zer­stör­ten Stei­ne. Für die noch älte­re „alte Syn­ago­ge“ und ihre Aus­stel­lung zur jüdi­schen Geschich­te Krakóws waren wir lei­der zu spät dran, die gab es nur noch von Aus­sen zu sehen.

Ins­ge­samt ist mir die Stadt ein wenig zu sehr auf Mas­sen­tou­ris­mus aus­ge­legt mit ihren Fia­kern und Bier­lo­ka­len und Sou­ve­nier­shops. Hin­ter dem Flo­ri­an-Tor ist dann plötz­lich wie­der Ruhe. Die­sem Tor vor­ge­la­gert ist ein run­der Befes­ti­gungs­bau mit Schiess­schar­ten und Gra­ben, den man „Bar­bak­a­ne“ nennt und des­sen Funk­ti­ons­wei­se wir uns zunächst nicht erklä­ren konn­ten. Goog­le hilft aber auch hier: die Bar­bak­a­ne aus dem spä­ten 15. Jahr­hun­dert war zur akti­ven Ver­tei­di­gung gegen die Feu­er­waf­fen der Osma­nen(!) gedacht, d.h. man hat oben Kano­nen plat­ziert. Zu Frie­dens­zei­ten war es eine Art vor­ge­la­ger­tes Stadttor.

Hin­ter der Bar­bak­a­ne befin­det sich ein gros­ser Platz, der uns an Frank­reich den­ken lässt. In der Mit­te dar­auf das Grun­wald-Denk­mal. Die Schlacht von Tan­nen­berg 1410 zwi­schen dem pol­ni­schen Heer und dem des Deut­schen Ordens heisst hier in Polen Schlacht von Grun­wald. Die pol­ni­schen Streit­kräf­te haben gewon­nen, was lang­fris­tig das Ende der Herr­schaft des Ordens bedeu­te­te. Zum 500. Jah­res­tag ein Denk­mal zu errich­ten, lag nahe. Die Ein­wei­hung des Denk­mals mit 150.000 Teilnehmer*innen war auch eine Demons­tra­ti­on gegen die anti-pol­ni­sche Poli­tik Preus­sens und dort war man „not amu­sed“ dar­über, dass Wien Gali­zi­en ein­fach so machen liess. Nicht ein­mal 30 Jah­re spä­ter war das Denk­mal schon wie­der zer­stört, gesprengt von den deut­schen Besat­zern. Nach dem Krieg folg­te dann der Wie­der­auf­bau, ein sehr hüb­sches Foto­mo­tiv ist es gewor­den, aber (auch) an die­sem Denk­mal kann man die unter­schied­li­che Erin­ne­rungs­kul­tur Euro­pas sehen: in Öster­reich hat Tan­nen­berg kei­ne beson­de­re Bedeutung.

Die Fotos

Die Stre­cke


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