Letzter Tag in Rom, einer dieser letzten Tage einer Reise, die irgendwie nur so halb Urlaub sind, halb Vorbereitungen auf die Rückfahrt – als müsste man da viel vorbereiten ausser Brot, Wein und Käse kaufen und zum Bahnhof fahren, aber so ist es jedes Mal. Die erste Hälfte gehört noch uns und wir fahren noch einmal. mit den Rädern zum Kolosseum runter. Heute merkt man, dass ein normaler Arbeitstag ist, denn es ist viel mehr Verkehr und die Kleintransporter der Gastro-Lieferanten und die Taxis stehen auf der Via Cavour in zweiter Spur. Unten hat sich allerdings wenig verändert, meine Theorie, dass die Menschenmassen geschlossen am Sonntag Abend nach Fiumicino fahren und Rom verlassen, war wohl falsch. Oder es sind am Sonntag neue Menschenmassen angekommen, so genau kann man das ja nicht sagen.
Auch auf den Strassen, die es nicht geben dürfte, denen durch die antiken Stätten, ist heute viel mehr los als gestern, dafür aber ist der Anteil die Radfahrenden wieder im einstelligen Promillebereich oder so. Wir halten auf die Via Appia zu, die berühmteste der Römerstrassen, die direkt aus dem Zentrum der römischen Welt nach Brindisi geführt hat und eigentlich noch immer mehr oder minder im originalen Verlauf eine Strasse ist. Berühmt ist sie nicht nur wegen der römischen Ingenieursleistung sondern auch, weil sie über etliche Kilometer links und rechts von Gräbern aus der Römerzeit gesäumt ist. Dort wollen wir aber heute nicht hin, unser Ziel ist ein anderes Grab, das wir über eine Schleife durch den Parco della Caffarella erreichen. Das ist ein Naherholungsgebiet für Hundehalter*innen, Läufer*innen und Mountainbiker*innen, enthält auch eine Art City Farm mit Pfauen, Enten und Lamas und offensichtlich gibt es auch Schafe, die die Wiesen hier beweiden. Irgendwie so, als Gras- und Buschlandschaft, stelle ich mir die Gegend hier zu römischer Zeit vor. Keine Ahnung, ob es hier damals tatsächlich so ausgesehen hat, aber es könnte sein.
Ganz sicher nicht so idyllisch ist ein anderer Ort nahe der Via Appia, die Ardeatinischen Höhlen. Hier hat am 24.3.1944 die SS 335 Männer erschossen, die sie in den Gefängnissen Roms “rekrutiert” hatte. Diese Männer sassen dort nicht, weil sie Kriminielle waren, sondern vielfach aus politischen Gründen oder als Juden. Diese 335 Männer wurden in die Höhlen gebracht und dort durch Genickschuss getötet, als “Vergeltungsmassenahme” für ein Attentat der italienischen Partisanen am Vortag. Zehn Italienische Geiseln und Gefangene für einen getöteten Deutschen, so lautete die “Quote” und zum Schluss wurden die Höhlen gesprengt. In der Nachkriegszeit wurde das Massaker in Gerichtsprozessen verhandelt, in Filmen thematisiert und vor allem hat man aus den Höhlen ein nationales Monument gemacht. Die Höhlen wurden freigelegt und stabilisiert, die Leichen der Opfer exhumiert und in einem Mausoleum genannten Bau bestattet. Unter einer schweren Betondecke ruhen sie in Zweierreihen in steinernen Sarkophagen, auf den meisten ist oben ein Foto angebracht, vor vielen stehen Kunstblumen. In Italien ist das Gedenken an dieses Massaker und weitere ähnliche heute noch lebendig und wird u.a. an Schulklassen weitergegeben, wie die vor uns in der Anlage.
Am Nachmittag gibt es nochmal innerstädtisches Kopfsteinpflaster, Provianteinkauf, einen kurzen Schwatz mit einem Herrn, der von Rom bis ans Nordkap mit dem Rad gefahren ist, das in der Stadt aber nicht tun würde, weil Kopfsteinpflaster, Fahrraddiebe, Verkehr. Und diesen Verkehr lernen wir dann auf dem Rückweg von der Villa Borghese auch noch kennen. Gefühlte Millionen von Kleinwagen, Taxis, Blaulicht-Limousinen und Bussen (Erinnerungen an Belgrad werden wach) sind kreuz und quer durch die Stadt unterwegs und stehen sich gegenseitig im Weg. Vor allem aber stehen sie uns im Weg, denn wir wären eigentlich schneller, wären da nicht so viele Autos. Wir bewegen uns mit einer Handvoll anderer Radfahrer*innen durch das Chaos, immer nach der Devise: Blickkontakt, sich drauf verlassen, dass der Mensch im Auto auch nur ein kleiner Angestellter ist, der nur noch nach Hause will und verstanden hat, dass er der langsamere ist, Spurwechsel. Ampeln und Einbahnen werden ignoriert, dafür aber besondere Aufmerksamkeit auf die Busse, die nach der gleichen Methode unterwegs sind. Jeden Tag möchte ich das nicht machen müssen, aber Rom hat wirklich Potential für einen vernünftig ausgebauten Radverkehr, man müsste nur endlich mal damit beginnen!
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