Tag 3: Roma – Ostia

⌴ 65km ⋅ ↗ 300hm ⋅ ↘ 306hm ⋅ ⤓ 2m ⋅ ⤒ 52m ⋅ ◷ 6:50:18  ⋅ Σ 105km

Wenn ihr Bür­ger­meis­te­rin einer 3‑Mil­lio­nen-Stadt wärt, die kei­ne 40 Kilo­me­ter vom Meer ent­fernt gele­gen ist und wo sich gefühlt die Hälf­te der Bevöl­ke­rung sich ins Auto setzt und auf den Weg zum Strand macht, sobald die Son­ne sich bli­cken lässt, was wür­det ihr tun? Genau: den vor­han­de­nen Rad­weg ent­lang des Tibers um die paar Kilo­me­ter ver­län­gern und so eine wei­te­re Mög­lich­keit schaf­fen ans Meer zu kom­men. Was hat Rom gemacht? Nun ja, der Rad­weg ent­lang des Tibers endet recht abrupt hin­ter der Stadt und dann wirds aben­teu­er­lich: wir schie­ben die Räder durch Gemü­se hin­auf auf eine Brü­cke und stür­zen uns auf der ande­ren Sei­te die immer­hin vor­han­de­ne Ram­pe hin­un­ter. Dass uns nur Mountainbiker*innen ent­ge­gen­kom­men, soll­te uns schon zu den­ken geben, aber so schlimm wie befürch­tet, ist es dann nicht. Rund 10 Kilo­me­ter auf der geschot­ter­ten Damm­kro­ne, Begeg­nung mit einer Schaf­her­de inklu­si­ve (irgend­wo muss der Peco­ri­no ja her­kom­men) sind auch mit Bromp­ton und Tern zu bewäl­ti­gen, auch wenn es mit so ziem­lich jedem ande­ren Rad beque­mer gewe­sen wäre. Danach beginnt ein nagel­neu­es Stück Rad­weg bis Fiumici­no, das in uns die Hoff­nung auf­kei­men lässt, dass man ‘bald’ auch die 10 km Rad­wegs­lü­cke ange­hen wird. Wir las­sen die E‑Mountainbiker*innen hin­ter uns, schlän­geln uns durchs Gas­sel­werk von Fiumici­no und lan­den auf einer holp­ri­gen Land­stras­se nach Ostia.

Eine direk­te Ver­bin­dung von Rom nach Ostia, Rom qua­si ans Meer zu brin­gen, wäre das Ziel der Pla­nun­gen unter Mus­so­li­ni gewe­sen, die man heu­te noch im Stadt­teil mit dem ein­gän­gi­gen Namen “EUR” sehen kann. EUR steht für die Espo­si­zio­ne Uni­ver­sa­le di Roma, die Welt­aus­stel­lung 1942 in Rom, die aber wegen des Zwei­ten Welt­kriegs nicht statt­ge­fun­den hat. Heu­te ist von die­ser Welt­aus­stel­lug noch die schnürl­ge­ra­de Via Cris­to­fo­ro Colom­bo erhal­ten, die wir heu­te mehr que­ren als befah­ren. Für den Rad­ver­kehr ist die­se “Via Impe­ria­le”, wie sie ursprüng­lich heis­sen hät­te sol­len, näm­lich eher nicht gedacht und eigent­lich das gan­ze Stadt­vier­tel EUR nicht. Dafür aber fah­ren hier ger­ne Römer (absicht­lich nicht gegen­dert) am Sonn­tag ihren Sport­wa­gen spa­zie­ren, ande­re par­ken ihre Autos in zwei­ter Spur vor den Geschäf­ten um schnell noch was zu holen und wer zu Fuss unter­wegs ist, macht eine Run­de um den künst­li­chen See von EUR. Wir sind aber nicht des­halb auf die­sem Umweg in Rich­tung Meer hier unter­wegs, son­dern wegen der hier noch erhal­te­nen faschis­ti­schen Pracht- und Pro­pa­gan­da­bau­ten, etwa dem Kon­gress­ge­bäu­de oder dem berühm­ten “qua­dra­ti­schen Kolos­se­um”, das mit sei­nen Arka­den und Bogen deut­lich Anlei­he nimmt am römi­schen Ori­gi­nal. Die weis­se Fas­sa­de trägt auch heu­te noch ein Mus­so­li­ni-Zitat. Ähn­lich sub­til ist die Spra­che der hie­si­gen Kir­che, eines Kup­pel­baus, des­sen Gestal­tungs­ele­men­te sogar wir kunst­his­to­ri­sche Lai­en lesen kön­nen. Dafür aber ist sie schon heu­te eine “basi­li­ka minor” – wie schnell so eine Beför­de­rung doch gehen kann, wenn man in Rom steht…

Ande­res geht hier in der Stadt nicht ganz so schnell, etwa die Fort­be­we­gung per Fahr­rad. Zwar sind am Sonn­tag deut­lich mehr Men­schen mit dem Rad unter­wegs als in den bei­den Tagen davor, aber man merkt, dass Rom eine Auto­stadt ist. Der Rad­ver­kehr ist Frei­zeit­ver­kehr und die Rad­we­ge, die es dann doch gibt, sind von durch­wach­se­ner Qua­li­tät. Man­che Teil­stü­cke erin­nern an die 80er und 90er Jah­re in Öster­reich, ande­re feh­len, dazwi­schen aber gibt es wie­der tadel­los aus­ge­bau­te Kilo­me­ter, aber Sei­ten­wech­sel sind recht häu­fig ange­sagt und wenn man mal das Pech hat an einer Ampel war­ten zu müs­sen, dann war­tet man län­ger. Wenn man denn war­tet, was Rad­fah­ren­de hier viel­fach nicht tun (man möch­te ja schliess­lich noch vor der Pen­sio­nie­rung irgend­wo ankom­men) und so hal­ten wir uns an den alten Grund­satz “when in Rome, do as the Romans do”.

Wir sind also den Römer*innen nach Ostia gefolgt, an den hie­si­gen Strand und Ostia kommt uns gleich sehr ver­traut vor. Von West nach Ost ist die Rei­hen­fol­ge: Meer, Sand­strand, Strand­bar, Geh­weg, Rad­weg, Park­platz, 2 Fahr­spu­ren , Grün­strei­fen, 2 Fahr­spu­ren, Park­platz, Ristorante/Café/Gelateria. Man sieht: viel zu wenig Park­platz um im August die Autos von halb Rom unter­zu­brin­gen. Für unser Gefühl ist Ostia schon heu­te ziem­lich voll, dabei hat es noch nicht ein­mal wirk­lich geöff­net, die Strand­bars rie­chen noch nach fri­scher Far­be. Die Idee in irgend­ei­ner Bar die Son­ne in einem Sprizz unter­ge­hen zu las­sen ver­wer­fen wir, denn es ist ja doch erst Febru­ar und wenn die Son­ne sinkt, wird es schnell recht kühl. Wir neh­men statt­des­sen die “Mare­me­tro” zurück in die Stadt, geben uns 4 km Wochen­en­drück­rei­se­ver­kehr auf Kopf­stein­pflas­ter im Dun­keln (kei­ne Emp­feh­lung!) und dann einen lan­gen Spa­zier­gang ohne Räder unten beim Forum und Kolos­se­um, d.h. dem Teil, der um die­se Uhr­zeit noch zugäng­lich ist. Die Men­schen­mas­sen sit­zen um so eine Zeit schon bei Piz­za und Rosso, und so sind wir heu­te Teil der zwei­ten Schicht bei den alten Stei­nen und danach im Ristorante.

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