Wenn ihr Bürgermeisterin einer 3‑Millionen-Stadt wärt, die keine 40 Kilometer vom Meer entfernt gelegen ist und wo sich gefühlt die Hälfte der Bevölkerung sich ins Auto setzt und auf den Weg zum Strand macht, sobald die Sonne sich blicken lässt, was würdet ihr tun? Genau: den vorhandenen Radweg entlang des Tibers um die paar Kilometer verlängern und so eine weitere Möglichkeit schaffen ans Meer zu kommen. Was hat Rom gemacht? Nun ja, der Radweg entlang des Tibers endet recht abrupt hinter der Stadt und dann wirds abenteuerlich: wir schieben die Räder durch Gemüse hinauf auf eine Brücke und stürzen uns auf der anderen Seite die immerhin vorhandene Rampe hinunter. Dass uns nur Mountainbiker*innen entgegenkommen, sollte uns schon zu denken geben, aber so schlimm wie befürchtet, ist es dann nicht. Rund 10 Kilometer auf der geschotterten Dammkrone, Begegnung mit einer Schafherde inklusive (irgendwo muss der Pecorino ja herkommen) sind auch mit Brompton und Tern zu bewältigen, auch wenn es mit so ziemlich jedem anderen Rad bequemer gewesen wäre. Danach beginnt ein nagelneues Stück Radweg bis Fiumicino, das in uns die Hoffnung aufkeimen lässt, dass man ‘bald’ auch die 10 km Radwegslücke angehen wird. Wir lassen die E‑Mountainbiker*innen hinter uns, schlängeln uns durchs Gasselwerk von Fiumicino und landen auf einer holprigen Landstrasse nach Ostia.
Eine direkte Verbindung von Rom nach Ostia, Rom quasi ans Meer zu bringen, wäre das Ziel der Planungen unter Mussolini gewesen, die man heute noch im Stadtteil mit dem eingängigen Namen “EUR” sehen kann. EUR steht für die Esposizione Universale di Roma, die Weltausstellung 1942 in Rom, die aber wegen des Zweiten Weltkriegs nicht stattgefunden hat. Heute ist von dieser Weltausstellug noch die schnürlgerade Via Cristoforo Colombo erhalten, die wir heute mehr queren als befahren. Für den Radverkehr ist diese “Via Imperiale”, wie sie ursprünglich heissen hätte sollen, nämlich eher nicht gedacht und eigentlich das ganze Stadtviertel EUR nicht. Dafür aber fahren hier gerne Römer (absichtlich nicht gegendert) am Sonntag ihren Sportwagen spazieren, andere parken ihre Autos in zweiter Spur vor den Geschäften um schnell noch was zu holen und wer zu Fuss unterwegs ist, macht eine Runde um den künstlichen See von EUR. Wir sind aber nicht deshalb auf diesem Umweg in Richtung Meer hier unterwegs, sondern wegen der hier noch erhaltenen faschistischen Pracht- und Propagandabauten, etwa dem Kongressgebäude oder dem berühmten “quadratischen Kolosseum”, das mit seinen Arkaden und Bogen deutlich Anleihe nimmt am römischen Original. Die weisse Fassade trägt auch heute noch ein Mussolini-Zitat. Ähnlich subtil ist die Sprache der hiesigen Kirche, eines Kuppelbaus, dessen Gestaltungselemente sogar wir kunsthistorische Laien lesen können. Dafür aber ist sie schon heute eine “basilika minor” – wie schnell so eine Beförderung doch gehen kann, wenn man in Rom steht…
Anderes geht hier in der Stadt nicht ganz so schnell, etwa die Fortbewegung per Fahrrad. Zwar sind am Sonntag deutlich mehr Menschen mit dem Rad unterwegs als in den beiden Tagen davor, aber man merkt, dass Rom eine Autostadt ist. Der Radverkehr ist Freizeitverkehr und die Radwege, die es dann doch gibt, sind von durchwachsener Qualität. Manche Teilstücke erinnern an die 80er und 90er Jahre in Österreich, andere fehlen, dazwischen aber gibt es wieder tadellos ausgebaute Kilometer, aber Seitenwechsel sind recht häufig angesagt und wenn man mal das Pech hat an einer Ampel warten zu müssen, dann wartet man länger. Wenn man denn wartet, was Radfahrende hier vielfach nicht tun (man möchte ja schliesslich noch vor der Pensionierung irgendwo ankommen) und so halten wir uns an den alten Grundsatz “when in Rome, do as the Romans do”.
Wir sind also den Römer*innen nach Ostia gefolgt, an den hiesigen Strand und Ostia kommt uns gleich sehr vertraut vor. Von West nach Ost ist die Reihenfolge: Meer, Sandstrand, Strandbar, Gehweg, Radweg, Parkplatz, 2 Fahrspuren , Grünstreifen, 2 Fahrspuren, Parkplatz, Ristorante/Café/Gelateria. Man sieht: viel zu wenig Parkplatz um im August die Autos von halb Rom unterzubringen. Für unser Gefühl ist Ostia schon heute ziemlich voll, dabei hat es noch nicht einmal wirklich geöffnet, die Strandbars riechen noch nach frischer Farbe. Die Idee in irgendeiner Bar die Sonne in einem Sprizz untergehen zu lassen verwerfen wir, denn es ist ja doch erst Februar und wenn die Sonne sinkt, wird es schnell recht kühl. Wir nehmen stattdessen die “Maremetro” zurück in die Stadt, geben uns 4 km Wochenendrückreiseverkehr auf Kopfsteinpflaster im Dunkeln (keine Empfehlung!) und dann einen langen Spaziergang ohne Räder unten beim Forum und Kolosseum, d.h. dem Teil, der um diese Uhrzeit noch zugänglich ist. Die Menschenmassen sitzen um so eine Zeit schon bei Pizza und Rosso, und so sind wir heute Teil der zweiten Schicht bei den alten Steinen und danach im Ristorante.
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