Aus Wrocław findet man mit dem Fahrrad einfach wieder raus. Es gibt einen Radweg, der durch etwas führt, das mal die autogerechte Stadt hätte werden sollen. Dreispurige Strassen, unglaubliche Kreuzungsplateaus, think Verteilerkreis Favoriten. Mit dem Rad ist man an den Kreuzungen mal wieder benachteiligt, man wartet ewig und drei Tage an der Ampel, darf indirekt abbiegen oder kriegt genau gleichzeitig mit den Rechtsabbiegenden Grün – wir fühlen uns wie zu Hause in Wien. Aber der Radweg ist sehr OK, wie überhaupt in den letzten Tagen die Radwege, wenn sie denn mal vorhanden waren, solche sind, von denen sich Wien und Niederösterreich ein paar Scheiben abschneiden könnten.
Heute stehen nur 80 km auf dem Programm, und selbst für die machen wir ein Umwegerl über das Kloster Leubus, polnisch Lubiąż. Das ist uns aufgefallen, weil es ein Zisterzienserkloster ist und somit dem Beuteschema der letzten Urlaube entspricht, es ist aber eine völlig andere Anlage als das, was wir im Burgund oder auch in Deutschland gesehen haben: hier haben wir es mit einem habsburgisch-barocken Palast zu tun mit den entsprechenden repräsentativen Räumlicheiten. Habsburgisch? Ja, seit 1526. Barock? Die Gegenreformation hat auch hier Klöster vom Gewicht von Göttweig oder Melk begünstigt, auch wenn die Zisterzienser ursprünglich mal einen einfacheren Baustil bevorzugt haben, aber das war da ja auch schon fast 500 Jahre her. Mit einer Führung in polnischer Sprache und einem erklärenden Text auf Deutsch kann man die wenigen renovierten Räume des Klosters besuchen: den Fürstensaal, das Sommerrefektorium und den Speisesaal des Abtes. Die Kirche, ursprünglich gotisch, dann barockisiert, bis 1945 in Gebrauch, jetzt stark beschädigt (Einquartierung der Roten Armee nach 1945), kann man sich ebenfalls ansehen, aber der Grossteil der riesenhaften Anlage harrt noch der Renovierung. Wie ist das Kloster eigentlich in diesen Zustand gekommen? Die Blütezeit hatte es unter der habsburgischen Zeit, in den 1740er Jahren geriet es aber wie der Grossteil Schlesiens unter preussische Herrschaft und somit war 1. Katholizismus nicht mehr so in und 2. forderte der preussische Staat mehr Geld. Man geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde 1810 überhaupt säkularisiert, weil das in Preussen damals halt so war, kennen wir ja aus Frankreich. Wie in Frankreich hat man Nutzungsmöglichkeiten überlegt und sich schliesslich für ein Gestüt und eine psychiatrische Klinik entschieden, im WWII waren Rüstungsbetriebe hier. Seit der Wende gibt es wieder Pläne das Gelände zu nutzen und es wird jetzt auch langsam wieder renoviert – wäre echt schade drum, aber da ist noch ordentlich was zu tun! Wir waren verblüfft von so viel Habsburg-Verehrung, wie sie im Fürstensaal zu sehen war, war uns in der Form auch nicht so bewusst, aber deshalb fährt man ja auf Urlaub, da lernt man was 🙂
Den Abend verbringen wir in Legnica, bis 1945 die preussische Stadt Liegnitz. Wieder einmal spazieren wir vor dem Sonnenuntergang durch eine gar nicht so kleine Stadt und landen schliesslich am Bahnhof, wo man eine von der polnischen Bahn übernommene BR 52 und eine Elektrolok in den schönsten Farben der 70er Jahre ausstellt. Wirklich sehenswert wäre die ehemalige Bahnhofshalle aus 1929. Sie steht derzeit mit dem halben Dach da und harrt ihrer weiteren Renovierung und irgendwie schliesst sich hier der Kreis, denn auch hier wie in Leubus macht es nicht den Eindruck als würde das Projekt in näherer Zukunft einem Abschluss zugeführt.
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