Mit Pirna verbindet mich mein lange vergangenes früheres Leben als Historikerin, war hier doch eine der Tötungsanstalten der “Aktion T4”, in deren Rahmen man in der hiesigen Anstalt Sonnenstein fast 14.000 Menschen mit verschiedenen Arten von Behinderungen ermordet wurden. Die Gedentstätte allerdings haben wir nicht gesehen, war schon zu spät und im Park auf den ehemaligen Basteien des Schlosses wurde es lagsam dunkel. Naja, ausserdem sind wir hier auf Urlaub, nicht auf einer historischen Exkursion, für die es allerdings in der letzten Woche mehr als genügend Stoff gegeben hätte.
Nach Pirna haben uns fast 100 km bestens ausgebaute Strassen und Radwege geführt. Wenn man an irgendwas auf den ersten Blick den Unterschied zwischen der deutschen und der polnischen Seite der Neisse sehen kann, dann am Zustand der Strassen und am Vorhandensein von Radwegsschildern (lesbar, grün-weiss, mit Kilometerangaben und verständlichen Zielen). OK, ein paar Kilometer gabs auch hier, die mehr Gravel und Sand waren und dazwischen Asphalt, der zwischen seinen Lücken schon bessere Zeiten gesehen hat. A propos Beschilderung: uns fällt auf, dass viele Strassenschilder zweisprachig sind, deutsch und etwas, das aussieht wie polnisch. Gibt es hier eine polnische Minderheit? Nein, die Sonderzeichen passen nicht zur polnischen Sprache. Tschechisch? Nein, passt auch nicht, da kenne ich ein paar Worte, die eindeutig anders lauten als das, was hier angeschrieben ist. In der Mittagspause in Bautzen klären wir es: es ist Sorbisch, eine bedrohte slawische Sprache, die hier von einer Minderheit noch gesprochen wird, und das gleich in mehreren Varianten.
Zurück nach Pirna: hier ist heute lange Shoppingnacht, man könnte auch sagen Stadtfest mit geöffneten Geschäften und grossen Mengen Alkohol. Die hübsche Stadt hat nicht nur Schloss und Elbe sondern auch eine historische Altstadt (mit ”Rynek”) und eine Gasthausbrauerei. Es gibt einen Bahnhof, der schon 1875 zum “alten Bahnhof” wurde, weil zu klein, und der heute von einem monotone Musik auflegenden DJ beglückt wird. Wein aus Meissen und von den tschechischen Nachbarn gibts im Klosterhof, Pizza aus Neapel und veganen Burger in der Altstadt, ebenso Espresso im Fahrrad- und Kaffeeladen ohne Fahrräder (Lieferschwierigkeiten bis 2024, daher nur noch Espresso). Ab 21:00 Uhr wird alle 30 Minuten ein ”son et lumière“ gespielt, eine Projektion der Geschichte eines Hauses, das in einer der Stadtansichten von Canaletto vorkommt, auf ebendiesem Haus. Ja, das ist der Canaletto, der auch Wien mal abgebildet hat.
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