Das Wichtigste zuerst: Sadie ist wieder zurück. Wir haben sie gestern mit der Infrarotkamera beobachtet, wie sie zuerst plötzlich wieder auf der Terrasse war, sich umgesehen hat und dann durch die Katzenklappe wieder ins Haus geschlüpft ist als wäre nichts gewesen. Wir werden morgen trotzdem schon nach Hause fahren, aber davor wollten wir uns ja noch das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek ansehen, auch bekannt unter dem Namen Konzentrationslager Lublin. Das riesige Gelände liegt heute auf Stadtgebiet, man kann mit dem Bus hinfahren oder auch mit dem Fahrrad auf einem recht brauchbaren Radweg. Vor 80 Jahren aber hat die Gegend völlig anders ausgesehen als heute, es war noch keine Rede von den Wohnblocks auf dem Hügel über dem Lager und auch dahinter dürfte Land gewesen sein, nicht wie heute, Stadt. Lublin ist seither ja gewaltig gewachsen. Man kann sogar um kleines Geld mit dem Auto ins Lager fahren und sich ein Stück des Fussweges zum eigentlichen Eingang ersparen. Golfwagerl gibt es auch und wer mit dem Rad kommt, kann auch bis zum Lagertor vorfahren, findet dort aber keinen Fahrradständer. Das Museum/Gedenkstätte ist übrigens auch nicht überlaufen. Ausser uns sind noch ein paar kleine Gruppen, einzelne Besucher*innen und 3 Schulklassen unterwegs, angesichts der Ausmasse des Geländes also fast niemand.
Das Konzentrationslager Lublin wurde schon 1944, gleich nach der Befreiung von Lublin durch die sowjetischen Truppen, beschlossen in Majdanek ein Museum und eine Gedenkstätte einzurichten, zu einer Zeit also, als in anderen Lagern das Morden noch im vollen Gange war. Eine Fotoausstellung zeigt, was man damals vorgefunden hat und was man in späteren Jahren daraus gemacht hat. In einigen Fällen musste man die Bauten ergänzen oder rekonstruieren. Den Kern des Museums bildet heute der Weg vom Männerbad (dem mit der Gaskammer) über den „Rosengarten“, in dem Selektionen neu eingelieferter Häftlinge durchgeführt wurden, die ehemalige Lagerstrasse entlang durch „Feld 3“ mit den erhaltenen Baracken zum Mausoleum. Das ist heute eine Baustelle, also biegen wir ab zum rekonstruierten Krematorium, das von der abziehenden SS noch in Brand gesetzt worden war. In manchen der Baracken sind Ausstellungen untergebracht, z.B. die erwähnte Foto-Vergleichs-Ausstellung oder eine weitere Foto-Ausstellung zu anderen Orten der NS-Verbrechen in Lublin. Eine Baracke enthält Zeugnisse von ehemaligen Häftlingen, eine andere eine Geschichte der „Aktion Reinhardt“, der geplanten Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im „Generalgouvernement“. Insgesamt wurden in Majdanek rund 80.000 Menschen ermordet.
Nach dem Besuch von Majdanek, der wie bei uns üblich deutlich länger gedauert hat als vorher gedacht, brechen wir noch zu einer klienen Runde durch die Umgebung von Lublin auf. Geplant waren rund 50 Kilometer, aus denen fast 70 geworden sind, weil irgendwo eine Abzweigung, die lt. open streetmaps asphaltiert hätte sein sollen, zentimetertiefen Sand als „Fahrbahn“ aufgewiesen hat. Die nächste war dann wegen ausgedehnter Baustelle im ganzen Ort gleich garnicht existent und die dritte hat 15 Kilometer Umweg, u.a. durch einen Wald, bedeutet. Uns fällt auf, wie stark die ganze Gegend zersiedelt ist. Zersiedelt nicht im österreichischen Sinne von „Einfamlienhäuser am Ortsrand“ sondern so richtig: Häuser stehen oft ein Einzellage oder nur in kleinen Gruppen, die mit einem Dorf nichts zu tun haben, irgendwo in der Gegend. Keine alten Gehöfte übrigens, sondern Neubauten mit Thujenhecke, Rasen und Carport. Auch die ästhetischen Qualitäten der Bauten lassen manchmal zu wünschen übrig – sagen wir mal so: nicht jeder, der das Geld hat ein Haus zu bauen, hat auch Geschmack. Aber auch wenn man unsere versnobten Ansichten aussen vor lässt, bleibt, dass solche Streusiedlungen irrsinng schwer zu erschliessen sind. Und einen weiteren Grund gegen diese Zersiedelung habe ich noch anzuführen: wenn jedes Gebüsch irgendwo ein einem Garten steht oder gegenüber von einem Garten, dann wird es wirklich schwer eines zu finden, wenn Not an der Frau ist!
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