Heute sind wir wirklich begeistert: ich zuerst von einem kleinen Plastikkübel, den man hier im Supermarkt kaufen kann, den ich mir bisher aber nicht geleistet habe, weil wohin damit auf dem Fahrrad? Der Inhalt besteht nämlich aus einem halben Kilo eingelegter Gurken in Dille, Knoblauch, Pfefferkörnern und noch ein paar Dingen in Einlegeflüssigkeit. Heute aber sind wir wieder in einem Quartier für mehrere Tage und haben einen Kühlschrank. Das erste Drittel der Gurken ist schon weg, der Rest wird auch nicht alt werden!
Unsere kleine Wohnung für 3 Tage liegt in Lublin und das ist der zweite Grund für Begeisterung, diesmal bei uns beiden. Um den kleinen Rynek reiht sich ein altes Haus ans nächste, in verschiedenen Stadien von Zerfall und Renovierung, manch eines mit Sgraffito und viele mit Gastgärten davor. In der Mitte nicht, wie sonst üblich, das Rathaus sondern ein königliches Gericht, das hier bis 1793 untergebracht war. Danach gab es keinen polnischen König mehr und folglich auch kein königliches Gericht. Wir spazieren im viel zu schnell untergehenden Licht durch die Altstadt, die ausser dem Rynek noch eine ganze Reihe malerischer Gassen und Plätze aufweist. Es ist wieder so eine Altstadt, in der man nur ein paar Verkehrszeichen und Reklametafeln abnehmen müsste und die Kanaldeckel austauschen und man könnte sofort anfangen Filme zu drehen. Die reiche historische Architektur liegt u.A. daran, dass die Stadt zuerst wichtig war (hier wurde die Personalunion zwischen Polen und Litauen vollzogen, die eines der grössten Reiche Europas in der frühen Neuzeit geschaffen hat), dann aber mit der Verlegung der Hauptstadt von Krakau nach Warschau irgendwie ab vom Schuss lag. Im 19. Jahrhundert war man Teil von Kongresspolen, also unter der Herrschaft des Zaren, wirkliches Wachstum gab es dann erst nach dem Zweiten Weltkrieg, das aber ausserhalb des historischen Zentrums.
Wir verlassen die Altstadt durch das Krakauer Tor und flanieren bis zum Plac Litewski, dem Litauer Platz mit seinem „Multimedia Springbrunnen“ und zahlreichen Denkmälern, die alle irgendeines Ereignisses der polnischen Geschichte gedenken. Man hat einen unbekannten Soldaten und daneben ein Reiterstandbild von Józef Piłsudski, dem Nationalhelden und späteren autoritären Machthaber Polens in der Zwischenkriegszeit, aufgestellt. Den Rest werden wir uns morgen ansehen. Wenn es hier in der Gegend nicht immer so verdammt früh finster würde.
Nachdem wir hier kein historischer Essiggurkerl-Blog sind sondern ein seriöser Radreiseblog noch ein paar Worte zur heutigen Strecke: wenig Radweg, viel Landschaft, ein paar Baustellen und man sollte sich im Sommer nicht auf die Fähren über die Weichsel verlassen. Wir haben hier Niedrigwasser, das so niedrig ist, dass die Fähre nicht einmal aus ihrem Hafen käme. Die polnischen Autofahrer*innen benehmen sich uns gegenüber übrigens grossteils sehr rücksichtsvoll, wobei man aber auch sagen muss, dass wir hier vermutlich sowas wie Artenschutz geniessen, denn Radreisende haben wir schon seit Tagen nicht mehr gesehen.
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