Nach dem Frühstück geht es zuerst wieder ins Weinviertel. Ein wenig hügelig, aber nicht zu sehr, durch Felder und ein paar Obstplantagen, kleine ländliche Häuschen, aber auch grosse Höfe links und rechts der Strasse. Die Gegend erscheint uns stark zersiedelt, an den Ortsrändern immer wieder überdimensionierte Riesenhäuser mit gepflasterter Garagenauffahrt und exakt gekürztem Rasen als einiger pflanzlicher Spezies hinter der Thujenhecke. Die mögen wir auch in Österreich nicht, die kleineren mit bunten Blumengärten, Apfelbäumen, ein paar Tomaten und Schaukelsessel auf der Terrasse sind uns sympathischer und ausserdem zum Glück zahlreicher. Die Hühner, die man bei den kleinen Häuschen immer wieder sieht, haben hier entweder Narrenfreiheit oder es ist wirklich so schwer sie im Garten zu behalten (Sadie mit Flügeln?), wir haben nicht nur eines aus seiner Ruhe beim Strassenrandpicken aufgeschreckt. Kurz: wir sind hier auf dem Land.
Beim Mittagessen werden wir von einer älteren Dame angesprochen, die uns Englisch reden gehört hat (stimmt nicht, aber vielleicht klingts doch ein bissl ähnlich, wenn man weiter weg steht und nicht alles versteht). Dafür, dass wir von Wien hierher gefahren sind, werden wir für verrückt erklärt, dafür, dass wir bei dieser Hitze noch 50 km nach Sandomierz weiter wollen, noch mehr. Es gibt ein Foto und zur Stärkung ein gefülltes Croissant als Geschenk. Vielen Dank nochmal!
Die 50 km sind bis auf eine Kleinigkeit ereignislos. Als wir einmal wegen der Biologie an den Strassenrand fahren, sehen wir, dass das da im Gebüsch raucht und kokelt. Das gehört so nicht. Wir überlegen, was zu tun wäre, als eine Flamme aus dem Rauch herauszüngelt und sich über einen trockenen Ast hermacht. Wir zwei Aushilfs-Grisus aus Wien opfern zwei Wasserflaschen und treten die rauchenden Stellen aus, aber eine dauerhafte Lösung ist das wohl nicht, denn es fängt kurz danach wieder an zu rauchen. Da glimmt noch etwas unterm Laub. Zum Glück kommen da zwei Männer in einem Lieferwagen daher, die versprechen sich der Sache anzunehmen. Die können wenigstens Polnisch, was bei allfälliger Kommunikation mit dem Notruf sicher hilft. Das Wasser füllen wir in einem kleinen Dorfladen wieder auf, wo jeder jeden kennt und der Einkauf als dritte in der Schlange entsprechend lang dauert. Vor mir ein Grossvater mit zwei Mädchen. Die Kinder kriegen Frankfurter, Süssigkeiten und Eis und diese grauslichen Augäpfel von Trolli, dann noch einen zweiten Satz Augäpfel und dann gehen die Kinder schon mal raus zum Auto. Der Grossvater lässt sich dann noch eine kleine Flasche Wodka und zwei Bier einpacken – die Mädels sind wohl etwas anstrengend und aufgekratzt nach dem ersten Schultag 😉
Bis Sandomierz fahren wir fast durchgehend durch Apfelplantagen. Teilweise schon abgeerntet, oft hängen aber auch noch Früchte an den Zweigen, manche von den Plantagen sind offensichtlich auch nicht mehr in Betrieb, ausgewachsen, nicht geschnitten und vertrocknet. Von einer der alten Plantagen muss ich unbedingt einen Apfel „sampeln“, aber auch bei den neuen hätte sich er Verlust für die Besitzer*innen vermutlich in Grenzen gehalten; bei den Aufkäufern in den Orten kriegt man 1 PLN (ca. 0,23 EUR) für das Kilo Äpfel.
Wir kriegen Gusto auf Apfelstrudel oder Apfelkuchen, in Sandomierz gibt es aber erst einmal ein Eis und dann einen Rundgang durch die kleine Stadt am Zusammenfluss von Weichsel und San, d.h. genau an der Grenze zwischen Zarenreich und Habsburgermonarchie, aber auf dem russisch beherrschten Ufer. Sandomierz war einmal eine wichtige Handelsstadt, ist fast 1000 Jahre alt, hat einen Rynek, eine (ehemalige) Synagoge und eine gothische Kathedrale. Völlig zu Recht gilt sie als eine der schönsten Altstädte Polens und ist liebevoll restauriert. Bei der Erhaltung der Altstadt hat möglicherweise die Bedeutungslosigkeit der Stadt nach den Teilungen Polens geholfen, nach denen die Stadt nun an der Grenze lag. Eine beschauliche Kleinstadt ist es auch heute, die meisten Restaurants schliessen um 21 Uhr, was aber in Polen ausserhalb der grossen Städte nicht ungewöhnlich ist. Abendessen ist hier früher als bei uns, für uns eine ziemliche Umstellung.
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