Tag 7: Kozars­ka Dubica – Ban­ja Luka

⌴ 88km ⋅ ↗ 169hm ⋅ ↘ 103hm ⋅ ⤓ 97m ⋅ ⤒ 171m ⋅ ◷ 4:56:41  ⋅ Σ 566km

Für Faschings­nar­ren, Kar­ne­vals­je­cken und Freund*innen der Fas­nacht ist die Zeit zwi­schen Febru­ar und Febru­ar eine lan­ge. Ein gan­zes Jahr ohne die gelieb­te Fes­ti­vi­tät, das stel­le ich mir schon hart vor, aber wenn der Ent­zug zu stark wird, dann gibt es in Ban­ja Luka Erleich­te­rung: hier gibt es einen Kar­ne­val im Mai und eigent­lich ist das doch gene­rell kei­ne so schlech­te Idee. Wer will den schliess­lich bei Minus­gra­den im Sam­ba-Kos­tüm durch die Stras­sen zie­hen oder im Nie­sel­re­gen trau­rig her­un­ter­hän­gen­de Feder­kro­nen tra­gen? Das geht in Bra­si­li­en schon bes­ser oder eben in Bos­ni­en im Mai. Und so wuseln oran­ge-schwar­ze Spin­nen über die Haupt­stras­se, eine Tanz­grup­pe in neon-pink, eine Grup­pe älte­rer Damen im Kos­tüm der New Yor­ker Frei­heits­sta­teu (die Sta­cheln der Kopf­be­de­ckung bestehen aus Kabel­bin­dern), eine Trach­ten­grup­pe aus Šta­jer­s­ka (in Slo­we­ni­en) spielt Um-ta-ta in Dau­er­schlei­fe und über ein paar der Kos­tü­me brei­ten wir den Man­tel des Schwei­gens, denn poli­tisch kor­rekt waren die wahr­lich nicht.

Poli­tisch mag Ban­ja Luka weni­ger grün sein, aber sonst ist es die Stadt aller­dings: Alleen, Parks, Bäu­me, wohin man schaut. Gefällt uns sehr gut und domi­niert die Stadt­an­sicht so sehr, dass ich im Moment nicht ein­mal sagen könn­te, was hier der vor­herr­schen­de Bau­stil ist. Sogar einen Rad­weg hat man von der Stadt­gren­ze bis zum Haupt­platz für uns gebaut, genau­er gesagt eine „pro­tec­ted bikela­ne“ mit Kunst­stoff­pol­lern und wenn ich sage „für uns“, dann ist das auch so zu ver­ste­hen, denn aus­ser uns war auf dem Rad­weg beim Rein­fah­ren sonst nie­mand unter­wegs. Auch spä­ter haben wir den Ein­druck gewon­nen, dass er ent­we­der noch sehr neu ist oder die Rad­fah­ren­den an der Haupt­stras­se gewohn­heits­mäs­sig auf dem Geh­steig unter­wegs sind (was übri­gens nie­mand stört).

Rad­in­fra­struk­tur gab es sonst heu­te kei­ne, dafür aber bis auf ein paar Kilo­me­ter jede Men­ge wenig befah­re­ner und nicht all­zu löch­ri­ger Neben­stras­sen. Das ganz löch­ri­ge Stück wird der­zeit übri­gens neu gebaut, aber für uns soll­te das kein Pro­blem sein, wir sol­len ein­fach auf dem Geh­steig an der Bau­stel­le vor­bei­fah­ren, erklärt uns der zur Ver­deu­li­chung des Umlei­tungs­schil­des abge­stell­te Bau­ar­bei­ter – auf Deutsch. Auch sonst dürf­ten im Moment hier sehr vie­le Deutsch­spra­chi­ge unter­wegs sein, wenn man nach den Auto­kenn­zei­chen gehen kann. Wer immer schon mal wis­sen woll­te, wie schön Wien ohne Wie­ner wirk­lich ist, hat die­ses Wochen­en­de die Gele­gen­heit das her­aus­zu­fin­den, die Wie­ner kur­ven näm­lich gera­de alle hier in Bos­ni­en herum.

Dass wir hier in Bos­ni­en sind, will man uns ger­ne ver­ges­sen las­sen. Auch hier ist alles, was die intern­tio­na­le Poli­tik nicht anders gere­gelt hat, ser­bisch bezeich­net, beschrif­tet und beflaggt, die drei Mili­zio­nä­re mit Maschi­nen­ge­wehr und gepan­zer­tem Fahr­zeug, die die Kar­ne­vals­pa­ra­de bewa­chen soll­ten, ein­ge­schlos­sen (nein, ich füh­le mich nicht siche­rer, wenn neben mir drei Mann mit MG ste­hen). Die jün­ge­re Geschich­te und Erin­ne­rungs­kul­tur der ex-jugo­sla­wi­schen Län­der gäbe wohl Stoff für meh­re­re aka­de­mi­sche Kar­rie­ren. Auf Schritt und Tritt wird man auf die Ver­bre­chen und die Opfer der einen wie der ande­ren Sei­te gestos­sen, heu­te waren es das Mas­sa­ker an mehr als 2000 ser­bi­schen Zivilist*innen durch die Usta­scha im Jahr 1942, die Zer­stö­rung der ortho­do­xen Kir­che im Zwei­ten Welt­krieg und der Moscheen im Bos­ni­en­krieg sowie ein Denk­mal für ein Dut­zend Babies, die im Kran­ken­ha­su ster­ben muss­ten, weil der benö­tig­te Sau­er­stoff im Krieg nicht gelie­fert wer­den konnte.

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Die Stre­cke


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