In seinem Erzählband “Rom, Rom” beschreibt Pier Paolo Pasolini einen Maroniverkäufer mit einem dunklen Teint, wie er “nur in Trastevere vorkommt” (oder in Testaccio, ich weiss es nicht mehr, jedenfalls eines der beiden berühmten Arbeiterviertel), der sich um sein tonnenförmiges Öfchen schmiegt und sich freut, wenn er es schafft einem Kunden ein oder zwei Maroni weniger ins Stanizel tun kann, denn das ist das, wovon er leben kann und nicht nur existieren. Der Maroniverkäufer ist ein etwa 10 Jahre altes Kind, dem Hose und Jacke zu kurz geworden sind. Das Buch handelt von der unmittelbaren Nachkriegszeit und hat mit dem heutigen Rom nur noch wenig zu tun, aber Maroniverkäufer mit ihren kleinen Metallöfen gibt es heute noch, wenn sie auch mit der Stadt gealtert zu sein scheinen. Es sind keine Kinder mehr sondern Männer schwer bestimmbaren Alters, die ihre Kastanien an Einheimische und Tourist*innen verkaufen, aber reich werden sie sicher noch immer nicht von ihrem Geschäft.
Tourist*innen dürften in Rom in der Innenstadt so wie in allen Tourismus-Hotspots Europas die Mehrheit der Anwesenden bilden. Rollköfferchen und regelrechte Schrankkoffer auf Rädern, in denen man gut und gerne 2 Wochen bequem wohnen könnte, rattern über das schwarze Kopfsteinpflaster rund um die Stazione Termini. Mir ist das Phänomen “massenhafter Städtetourismus” ja noch immer ein Rätsel, aber wir sind hier jetzt nun mal Teil davon, also lassen wir uns von Restaurant-Keilern nicht dazu überreden um 16:30 uns Abendessen in genau dieser Pizzeria einzunehmen, quetschen uns mit Tausenden anderen durch die Gassen der Stadt, verblüfft davon, dass dort trotzdem noch Taxis durchfahren dürfen und stellen uns eine halbe Ewigkeit in eine sehr kurze, aber sehr langsam sich bewegende Schlange um ein wirklich ausgezeichnetes Eis.
Santa Maria Maggiore haben wir vor run 15 Jahren bei unserem letzten Besuch ausgelassen, weil es ja quasi ums Eck vom Hotel gelegen ist und “da können wir ja später noch hinschauen”. Diesmal wird die Kirche, die von aussen an einen Palazzo gemahnt, gleich nach dem Bahnhof besichtigt. Ein paar mal frage ich mich dann aber schon, ob hier wirklich die Kirche mit den frühchristlichen Mosaiken, einer eigenen Sixtinischen Kapelle und den angeblichen Reliquien der originalen Krippe die Sehenswürdigkeit ist oder nicht etwa die Menschen darin, etwa der junge Mann mit gelben, roten und grünen Haaren, der einen ausführlichen Rundgang macht und leise in sein etwa 20 cm vor seinem Gesicht filmendes Handy spricht. Oder ist es das Katholische? Die Beichtstühle mit den Stundenplänen für spanisch, deutsch, ungarisch, polnisch oder auch ukrainisch sprechende Priester, die Kuverts zum Bestellen einer Messe gegen eine Spende (Richtwert: 15 Euro) für einen auf der Vorderseite zu nennenden Zweck, die Möbel, die vielfach auch einen Schlitz zum Einwerfen einer Spende aufweisen oder die unzähligen Grabmähler, Denkmäler und Inschriften an den Wänden und in den Seitenkapellen?
Wir wandern durch die auf mindestens 7 Hügeln errichtete Stadt, kommen versehentlich an der Spanischen Treppe vorbei, nachdem wir uns noch gewundert haben, was der ganze Menschenauflauf dort vorne nur will, spazieren weiter nach oben zur Villa Borghese und dann wieder runter. Beim zweiten Versuch schaffen wir es das in Wien vergessene Reparatuset für Fahrradschläuche zu erwerben und verquatschen uns ein wenig mit dem Händler: nein, ein Brompton ist nicht für Rom gemacht (wo er recht hat…) und das mit dem Reservieren von Fahrradplätzen im Zug würde in Italien so niiiiiieee funktionieren, sagt er, hier habe man es nicht so mit den Vorschriften. Die Beobachtung des wenigen Radverkehrs in der Stadt scheint ihn auch hier zu bestätigen: es gibt nur wenige Radfahrende in der römischen Innenstadt, aber scheinbar noch weniger Regeln.
Schreibe einen Kommentar