Vor vielen Jahren, eigentlich schon vielen Jahrzehnten, ich war noch ein kleines Mädchen, stand ich auf einer italienischen Autobahnraststätte vor einem Problem: es gab zwei Türen, hinter denen sich die Toiletten verbargen, die aber nicht mit den üblichen Symbolen beschriftet waren. Wo musste ich also hin? Damals habe ich das durch kurzes Warten gelöst und so festgestellt, dass ich zu den ‘Donne’ gehöre. Hier in Polen stand ich vor einer ähnlichen Frage: muss ich die Tür mit dem Vorranggeben-Zeichen öffnen oder die mit dem Fahrverbot? Ein auf der Spitze stehendes Dreieck und ein Kreis sind nämlich hier die Toilettensymbole. Heute bin ich älter und weniger schüchtern als damals, also einfach schnell mal eine Tür aufgemacht, Pissoirs gesehen und jetzt weiss ich: Fahrverbot ist meines.
Heute ist unser letzter Tag in Polen und es ist Zeit für ein kleines Fazit: wir sind positiv überrascht, wie radurlaubstauglich zumindest dieser Teil des Landes ist. Es gibt erstaundlich viele und brauchbare Radwege, wenn auch völlig ohne Beschilderung, d.h. ohne GPS ist man aufgeschmissen und landet auf den Hauptstrassen. Die Autofahrer*innen aber wissen sich zu benehmen und nicht nur einmal sind wir so behutsam überholt worden, dass es uns selber schon fast unangenehm war den armen Menschen im Auto hinter uns so lange aufgehalten zu haben. Verpflegung ist kein Problem, es gibt Greissler, die zumindest das haben, was man in Österreich an einer Tankstelle auch kriegt und wir sind tagsüber kulinarisch sehr genügsam. Supermärkte gibt es auch, Märkte, wie es sie in Italien oder Frankreich gibt, haben wir bisher nicht gesehen.
Marktplätze aber gibt es hier in jeder Stadt, die übrigens alle nach dem gleichen Muster aufgebaut sind: Es gibt einen zentralen Marktplatz, normalerweise Rynek, von dt. “Ring”, genannt. Ein Ring ist es deshalb, weil sich in der Mitte des Platzes das Rathaus befindet, der Platz mit seinen Bürgerhäusern, normalerweise mit Arkaden, geht also rund um das Rathaus. Wenn dieser Platz dann noch geeignet verkehrsberuhigt und autofrei ist, ist es der ideale Ort für Gastgärten und als Treffpunkt für Locals und Tourist*innen.
Das Highlight des heutigen Tages hätten wir fast versäumt. Die Friedenskirche in Jawor ist nämlich nicht im Reiseführer vermerkt, und das obwohl sie seit 2001 gemeinsam mit einer zweiten, etwas grösseren, in Świdnica auf der UNESCO Liste steht. Was ist diese Kirche? Der Westfälische Friede gab den protestantischen Christ*innen der Gegend das Recht eine Kirche zu errichten, aber sie mussten das mit dem Geld der eigenen Gemeinde tun und die Kirche durfte nicht aussehen wie eine traditionelle Kirche. Das erste Problem (man war nach dem Krieg ziemlich pleite) löste man durch eine Fundraising-Tour in protestantischen Gebieten, das zweite resultierte in einer wirklich ungewöhnlichen Kirche. Es handelt sich um einen innerhalb von 2 Jahren (1654–55) fertiggestellten Fachwerk-Bau, der von aussen wirkt wie ein Teil eines Gutshofs und innen eher an ein Theater erinnert als an eine Kirche. Mehrere Geschosse von hölzernen Emporen boten bis zu 5000 Personen Platz und die scheinen auch gekommen zu sein um an den Gottesdiensten teilzunehmen. Erst später erhielt die Kirche auch einen Turm in Fachwerk mit Glocken und an den Frontseiten der Emporen gemalte Szenen aus der Bibel.
Elemente dieser Bauweise haben wir heute dann gleich noch zwei Mal gesehen: einmal beim Bethaus von Schloss Łomnica (Fachwerk) und ein zweites Mal hier in Jelenia Góra in der Gnadenkirche (Emporen). Ansonsten hat auch Jelenia Góra einen Rynek und ist eigentlich recht unpraktisch angelegt. Die Stadt ausserhalb des unmittelbaren Zentrums zieht sich über mehrere Kilometer und drei Bahnhöfe durchs Tal. Ein Thermalbad und die berühmten Schlösser liegen an den entgegengesetzten Seiten, die schon recht früh mit einer Strassenbahn verbunden wurden, einer aus der Frühzeit der Strassenbahntechnik, man hat damals einen Gasantrieb eingebaut, aber schon um 1900 erkannt, dass das eine eher unpraktische Sache ist und elektrifiziert.
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