Tag 9: Doboj – Tuzla

⌴ 95km ⋅ ↗ 754hm ⋅ ↘ 671hm ⋅ ⤓ 145m ⋅ ⤒ 275m ⋅ ◷ 6:29:44  ⋅ Σ 755km

Wenn die Son­ne scheint, sieht auch der Bahn­hof von Doboj ein klein wenig weni­ger trau­rig aus, nicht aber die Ske­let­te der alten jugo­sla­wi­schen Elek­tro­loks, die man auf der Rück­sei­te ver­ros­ten lässt. Gleich nach­dem wir sie pas­siert haben beginnt die Hüge­lei, die uns den gan­zen Tag beglei­ten wird und gleich auf dem ers­ten Hügel reisst Ulrichs vor­de­res Schalt­seil. Ist aber halb so schlimm, denn ers­tens war er eh gera­de mit dem klei­nen Ket­ten­blatt unter­wegs und zwei­tens haben wir Schalt- und Brems­sei­le in Reser­ve und das neue ist schnell mon­tiert. Die Lei­chen hin­ter dem Bahn­hof waren übri­gens nicht die ein­zi­gen Züge, die wir heu­te gese­hen und gehört haben. Auf der Stre­cke nach Petro­vo Novo sind uns ein Per­so­nen­zug (schwach besetzt) und ein Güter­zug ent­ge­gen­ge­kom­men, letz­te­rer mit einer zwei­ten besetz­ten Lok hin­ten – man scheint den Brem­sen nicht ganz zu vertrauen.

Solan­ge wir die Eisen­bahn neben uns haben befin­den wir uns im ser­bi­schen Teil von Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na, der „Repu­bli­ka Srps­ka“, doch noch vor dem Mit­tag­essen ver­las­sen wir ihn und fah­ren in der „Föde­ra­ti­on Bos­ni­en und Her­ze­go­wi­na“ wei­ter, dem bos­nia­kisch-kroa­ti­schen Teil des Lan­des. Hier rüs­ten wir uns mit Sir­ni­ca (Käse­bu­rek) gegen den Ver­kehr auf der Haupt­stras­se, doch gegen ein paar Wahn­sin­ni­ge in 3–7 Ton­nen LKW hilft die auch nicht. Wir ent­schei­den uns doch für die Hüge­lei im Hin­ter­land und bereu­en es nicht. Zum Stras­sen­ver­kehr gene­rell: wer Wien gewohnt ist, wird sich auch hier nicht fürch­ten, zumin­dest was den Fahr­stil von PKW-Fahrer*innen anlangt. Auch hier über­holt man gern um 50 m wei­ter rechts abzu­bie­gen und auch hier gilt „je BMW oder Audi und je schwär­zer das Fahr­zeug, des­to Obacht!“, bis­her waren die Autofahrer*innen aber eh brav. Mit den Fah­rern von Bau­stel­len-LKWs und Sat­tel­schlep­pern haben wir bis­her eben­falls nur gute Erfah­run­gen gemacht, die waren alle sehr rück­sichts­voll. Pro­ble­ma­ti­scher waren da heu­te ein paar mit Klein­trans­por­ter oder 7‑Ton­nen-LKW, die gemeint haben in der Kur­ve(!), im Gegen­ver­kehrs­be­reich(!) und berg­auf(!) uns über­ho­len zu müs­sen – mit den Beschleu­ni­gungs­wer­ten eines sol­chen Fahr­zeu­ges wird das eher knapp!

Irgend­wie schein es uns als wäre die Land­schaft der zwei­ten Hälf­te der heu­ti­gen Tour bewohn­ter und gepfleg­ter als die letz­ten Etap­pen. Weni­ger Rui­nen und ewi­ge Roh­bau­ten, mehr gepfleg­te Gär­ten, ger­ne auch mit Obst, Klet­ter­ro­sen oder Wein als Schat­ten­spen­der und einem Haus­gar­ten mit Toma­ten, Zwie­beln und Kar­tof­feln. Zumin­dest der Teil, den wir heu­te sehen, wirkt als könn­te er auch irgend­wo am Land in Tsche­chi­en oder Ungarn oder man­chen Tei­len Öster­reichs sein, nur ganz so vie­le (und so hüb­sche) Hüh­ner wie hier sind uns dort bis­her nicht auf­ge­fal­len. Ach ja, das Zen­trum des Ortes wird gele­gent­lich von einem Mina­rett anstel­le eines Kirch­turms gekrönt.

Vor­ges­tern waren wir am Sams­tag Abend in Ban­ja Luka, wo es nicht nur den Kar­ne­val gab, son­dern auch im Zen­trum jede Men­ge Nacht­le­ben. Das scheint es auch hier in Tuz­la zu geben, mit einem deut­li­chen Schlag in Rich­tung Shi­sha-Bar in einer der Gas­sen, wo wir durch die Rauch­schwa­den waten. Auf dem Haupt­platz sitzt man bei Kaf­fee oder Bier unter Schir­men, im Stadt­park auf etwas zu nied­rig gera­te­nen Park­bän­ken wie auf Volks­schul­ses­seln. In jedem Fall lebt das Zen­trum der Stadt und das muss auch so gewe­sen sein als im Mai 1995 eine Artil­le­rie­gra­na­te der bos­nisch-ser­bi­schen Armee im Stadt­zen­trum deto­nier­te. Tuz­la wäre eigent­lich UN-Schutz­zo­ne gewe­sen, doch der Angriff auf das Stadt­zen­trum for­der­te 71 Todes­op­fer und über 170 Ver­letz­te, meist jun­ge Leu­te, die das war­me Wet­ter zum Aus­ge­hen genutzt hat­ten. Ihr Denk­mal ist eines, an dem heu­te vie­le ste­hen geblie­ben sind und eini­ge auch noch Blu­men abge­legt habe, zusätz­lich zu dem Meer an Blu­men wegen des kürz­li­chen Jahrestages.

Die Fotos

Die Stre­cke


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