Bei der Einfahrt in den Bahnhof St. Valentin haben wir die S‑Bahn nach Steyr aus dem Bahnhof ausfahren sehen. Eigentlich hätten wir ein paar Minuten Umsteigezeit gehabt, aber die Taurus vor unserem RailJet nach Westen hat sich ein bisserl bitten lassen. Lange hat es so ausgesehen als würden wir den Zug doch noch kriegen, aber irgendwann ist dem Fahrplan dann doch der Geduldsfaden gerissen. Für uns hat das zweierlei bedeutet: erstens müssen wir uns um das Bier auf der Rückfahrt keine Gedanken machen, die ÖBB hat uns eingeladen. Wir müssen sehr traurig dreingesehen haben, sodass wir vom Zugbegleiter je einen Gutschein für den Speisewagen bekommen haben. Und zweitens fahren wir jetzt nicht nach Steyr sondern mit dem Zug nach Rohr und dann mit dem Bus nach Grünburg, lassen also die Hinfahrt mit der Steyrtalbahn aus, fahren nur eine Strecke und haben in Grünburg jede Menge Zeit für einen Spaziergang im Ort, ein Mittagessen und massenhaft Fotos einer fast 100 Jahre alten Dampflok.
Grünburg liegt unten im Steyrtal, das wir bei wärmerem Wetter (viel wärmerem Wetter) auch schon mit dem Rad befahren haben. Das ist auch hübscher, vermuten wir. Genauer sagen können wir es nicht, denn das ganze Tal ist gefüllt mit dichtem Nebel, wie er um diese Jahreszeit in Flusstälern, wenn das Wasser noch zu warm und die Luft noch so feucht ist, gern vorkommt. Nicht ganz so dicht wie in einer Schwarz-Weiss-Verfilmung eines englischen Krimis, aber fast. Wir klettern ein Stück den Gegenhang hinauf, wo es in einer Holzwerkstatt Glühwein und Blunzengröstl und im Nachbarhaus Baumkuchen (Kürtőskalács – das Zeug verfolgt uns!) gibt. Der andere Hang hat ein paar Cafés und Geschäfte in vorweihnachtlicher Ruhe zu bieten und den alten Bahnhof der ehemaligen Steyrtalbahn. Dort wird gerade mit einem kleinen Förderband Kohle in die Lok geladen und dort wollen wir hin.
Die Steyrtalbahn war etwas über 100 Jahre in Betrieb, als Regionalbahn und zum Holztransport. Wirtschaftlich war es immer schwierig und Fahrgäste, die mit 20 km/h durch die Gegend schaukeln wollen, hat es auch immer weniger gegeben. 1982 wurde der Betrieb eingestellt und seit 1985 gibt es die Museumsbahn, auf der sich Hobby-Eisenbahner (-innen waren heute keine dabei) in ihrer Freizeit als Lokführer oder Heizer ordentlich dreckig machen, Kohle schaufeln, die Lok entschlacken und Fahrkarten kontrollieren. Die Bahn verkehrt hauptsächlich im Sommer für die Feriengäste, aber auch an den Adventwochenenden ist Dampfbetrieb auf schmalen 760 mm (Bosnische Spurweite).
Die Lok fährt richtig rum nach Grünburg und wird dann verkehrt wieder vorne an den Zug gehängt. Fotos gibt es daher hauptsächlich von der einen Fahrtrichtung, denn eine Dampflok von hinten schaut irgendwie nicht nach viel aus. Die Benutzung der Drehscheibe, die es in Grünburg ja gäbe, zahlt sich aber auch nicht aus, denn dann bräuchte man unten ja auch wieder eine, dort ist aber kein Platz. Wie auch immer, wir fahren mit einer verkehrten Lok zurück, was aber nur die Fotographen stört. Die Kinder in unserem Waggon interessiert mehr die Frage, wie das überhaupt geht, so einen Zug umzudrehen. Die Erklärung des Vaters hat uns nicht ganz überzeugt, aber wir haben ja auch einen Wissensvorsprung, wir haben nämlich beim Manöver zugesehen.
Eine Stunde in alten Waggons mit blassblauen Sitzen, angelaufenen Scheiben, Loch-im-Boden-Toiletten und offenen Übergängen dazwischen. Sogar ein historisches Raucherabteil mit Aschenbechern gibt es noch, die sachgemässe Benutzung ist aber nicht erlaubt. Es hätte auch einen Büffetwagen gegeben, aber warum hat uns das nicht früher jemand gesagt? Aber eigentlich ist das eh nicht so schlecht. So hatten wir eine Ausrede nach der Ankunft noch den Christkindlmarkt in Steyr zu besuchen. Wer in den nächsten 2 Wochen noch in dieser Ecke vorbeikommt: hinschauen! Wenig Kitsch, kein Glumpat, dafür aber barocker Stadtplatz, ein paar Strohballen zum Sitzen, Glühmost, Bauernkrapfen (mit Knoblauch und Sauerrahm als Langos getarnt oder klassisch mit Marmelade), mehrere Sorten Bratwürstel, Schnaps und viel mehr Weihnachtsstimmung als am Wiener Rathausplatz. Die Serviermannschaft im Stand mit den Bratwürsteln und Schnäpsen hält auch streng ihre „Gewerkschaftspausen“ ein: es gibt in regelmässigen Abständen einen Schnaps für alle hinter der Budel – ob da am Ende des Tages die Kassa noch stimmt?
Bei der Rückfahrt mit dem von der ÖBB gespendeten Bier war der RailJet dann pünktlich.
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